Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 457

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 das Erdenreich immer unkräftiger, wenn es kräftige Pflanzen nährt, aber      
  02 die Ruhe und der Regen bringen es wieder in den Stand. Wo würde      
  03 aber endlich die kräftige Materie herkommen, die ohne Ersetzung verwandt      
  04 wird, wenn nicht eine anderweitige Qülle ihren Zufluß unterhielte? Und      
  05 diese ist vermuthlich der Vorrath, den die unterirdische Grüfte an den      
  06 wirksamsten und flüchtigsten Materien enthalten, davon sie von Zeit zu      
  07 Zeit einen Theil auf die Oberfläche der Erde ausbreiten. Ich merke noch      
  08 an: daß Hales mit sehr glücklichem Erfolg die Gefängnisse und überhaupt      
  09 alle Örter, deren Luft mit thierischen Ausduftungen angesteckt wird, durch      
  10 das Räuchren des Schwefels befreiet. Die feuerspeiende Berge stoßen eine      
  11 unermeßliche Menge schwefelichter Dämpfe in den Luftkreis aus, wer weiß,      
  12 würden die thierische Ausdünstungen, womit dieser beladen ist, nicht mit      
  13 der Zeit schädlich werden, wenn jene nicht ein kräftiges Gegenmittel dawider      
  14 abgäben.      
           
  15 Zuletzt dünkt mir die Wärme in dem Innern der Erde einen kräftigen      
  16 Beweis von der Wirksamkeit und dem großen Nutzen der Erhitzungen, die      
  17 in tiefen Grüften vorgehen, abzugeben. Es ist durch tägliche Erfahrungen      
  18 ausgemacht: daß es in großen, ja in den größten Tiefen, dazu Menschen      
  19 in dem Innern der Berge nur gelangt sind, eine immerwährende Wärme      
  20 gebe, die man unmöglich der Wirkung der Sonne zuschreiben kann. Boyle      
  21 zieht eine gute Anzahl Zeugnisse an, daraus erhellt, daß in allen tiefsten      
  22 Schachten man zürst die obere Gegend weit kälter finde als die äußere      
  23 Luft, wenn es zur Sommerzeit ist, je tiefer man sich aber herablasse, desto      
  24 wärmer befinde man die Gegend, so daß in der größten Tiefe die Arbeiter      
  25 genöthigt sind die Kleider bei ihrer Arbeit abzulegen. Jedermann begreift      
  26 es leicht, daß, da die Sonnenwärme nur auf eine sehr geringe Tiefe in      
  27 die Erde dringt, sie in den alleruntersten Grüften nicht die geringste Wirkung      
  28 mehr thun könne; und daß die daselbst befindliche Wärme von einer      
  29 Ursache abhänge, die nur in der größten Tiefe herrscht, ist überdem aus      
  30 der verminderten Wärme zu ersehen, je höher man sogar zur Sommerzeit      
  31 von unten hinauf kommt. Boyle, nachdem er die angestellte Erfahrungen      
  32 behutsam verglichen und geprüft hat, schließt sehr vernünftig: daß in den      
  33 untersten Höhlen, zu welchen wir nicht gelangen können, beständige Erhitzungen      
  34 und ein dadurch unterhaltenes unauslöschliches Feuer müssen      
  35 anzutreffen sein, das seine Wärme der obersten Rinde mittheilt.      
           
  36 Wenn sich dieses also verhält, wie man sich denn nicht entbrechen      
  37 kann es zuzugeben, werden wir uns nicht von diesem unterirdischen Feuer      
           
     

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