Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 334

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 entworfen sind. Alles, was sich auf einander zu einer gewechselten      
  02 Harmonie bezieht, muß in einem einzigen Wesen, von      
  03 welchem es insgesammt abhängt, unter einander verbunden werden.      
  04 Also ist ein Wesen aller Wesen, ein unendlicher Verstand und selbständige      
  05 Weisheit, vorhanden, daraus die Natur auch sogar ihrer Möglichkeit      
  06 nach in dem ganzen Inbegriffe der Bestimmungen ihren Ursprung      
  07 zieht. Nunmehr darf man die Fähigkeit der Natur, als dem Dasein      
  08 eines höchsten Wesens nachtheilig, nicht bestreiten; je vollkommener sie      
  09 in ihren Entwickelungen ist, je besser ihre allgemeinen Gesetze zur      
  10 Ordnung und Übereinstimmung führen: ein desto sichererer Beweisthum      
  11 der Gottheit ist sie, von welcher sie diese Verhältnisse entlehnt.      
  12 Ihre Hervorbringungen sind nicht mehr Wirkungen des Ungefährs und      
  13 Folgen des Zufalls: es fließt alles nach unwandelbaren Gesetzen von      
  14 ihr ab, welche darum lauter Geschicktes darstellen müssen, weil sie      
  15 lauter Züge aus dem allerweisesten Entwurfe sind, aus dem die Unordnung      
  16 verbannt ist. Nicht der ungefähre Zusammenlauf der Atomen      
  17 des Lucrez hat die Welt gebildet; eingepflanzte Kräfte und Gesetze, die      
  18 den weisesten Verstand zur Quelle haben, sind ein unwandelbarer Ursprung      
  19 derjenigen Ordnung gewesen, die aus ihnen nicht von ungefähr,      
  20 sondern nothwendig abfließen mußte.      
           
  21 Wenn man sich also eines alten und ungegründeten Vorurtheils und      
  22 der faulen Weltweisheit entschlagen kann, die unter einer andächtigen      
  23 Miene eine träge Unwissenheit zu verbergen trachtet, so hoffe ich, auf      
  24 unwidersprechliche Gründe eine sichere Überzeugung zu gründen: daß      
  25 die Welt eine mechanische Entwicklung aus den allgemeinen      
  26 Naturgesetzen zum Ursprunge ihrer Verfassung erkenne; und      
  27 daß zweitens die Art der mechanischen Erzeugung, die wir      
  28 vorgestellt haben, die wahre sei. Wenn man beurtheilen will,      
  29 ob die Natur genugsame Fähigkeiten habe, durch eine mechanische      
  30 Folge ihrer Bewegungsgesetze die Anordnung des Weltbaues zuwege      
  31 zu bringen, so muß man vorher erwägen, wie einfach die Bewegungen      
  32 sind, welche die Weltkörper beobachten, und daß sie nichts an sich haben,      
  33 was eine genauere Bestimmung erforderte, als es die allgemeinen      
  34 Regeln der Naturkräfte mit sich führen. Die Umlaufsbewegungen bestehen      
  35 aus der Verbindung der sinkenden Kraft, die eine gewisse Folge      
  36 aus den Eigenschaften der Materie ist, und aus der schießenden Bewegung,      
  37 die als die Wirkung der ersteren, als eine durch das Herabsinken      
           
     

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