Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 102

     
           
 

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  01 die aber einander dennoch das Gleichgewicht halten. Wenn nun der      
  02 Körper B den Punkt 3 B erreicht und daselbst den Arm der Wage      
  03 betritt, so ist klar, daß: weil der Balken F 3 B in Ansehung des      
  04 andern 3AF etwas größer ist, als die Masse des Körpers in 3 A      
  05 in Vergleichung mit der Masse der Kugel in 3 B, so werde das Gleichgewicht      
  06 gehoben sein und der Körper B aus 3 B in 4 B heruntersinken,      
  07 zugleich aber die Kugel A aus 3 A in 4 A erheben. Es ist aber die      
  08 Höhe 4A3A beinahe das vierte Theil der Höhe 3BC mithin wie 4;      
  09 also hat der Körper B die Kugel A auf diese Weise zu einer beinahe      
  10 vierfachen Höhe erhoben. Es kann nun durch ein leichtes mechanisches      
  11 Kunststück gemacht werden: daß die Kugel A aus 4 A in 1 A wieder      
  12 zurück gehe und mit der durch ihren Zurückfall erlangten Kraft gewisse      
  13 mechanische Wirkungen ausübe, hernach aber nochmals aus dem Punkte      
  14 1 A die schiefe Fläche 1A2A herablaufe und alles in den vorigen      
  15 Zustand setze, auch der Kugel B, welche durch eine unmerklich kleine      
  16 Neigung der Fläche 2B4B wieder in dem Punkte 1 B sein kann,      
  17 alle ihre Kraft, wie vorher übertrage und alles noch einmal bewerkstellige.      
  18 Der Herr von Leibniz fährt fort zu schließen: also folgt aus      
  19 der Kräftenschätzung des Cartesius, daß ein Körper, wenn man sich      
  20 seiner Kraft nur wohl bedient, ins unendliche immer mehr und mehr      
  21 Wirkungen verüben, Maschinen treiben, Federn spannen und Hindernisse      
  22 überwinden könne, ohne daß seinem Vermögen etwas entgehe,      
  23 eben dieses ohne Aufhören noch ferner zu verüben; daß also die Wirkung      
  24 größer sein könne, als ihre Ursache, und daß die immerwährende      
  25 Bewegung, die alle Mechaniker für ungereimt halten, möglich sei.      
           
  26
§ 93.
     
           
  27 Dieser Beweis ist der einzige unter allen Vertheidigungen Der Punkt des    
  28 der lebendigen Kräfte, dessen Scheinbarkeit die Fehlschlusses    
  29 Übereilung entschuldigen könnte, welche die Leibnizianer in diesem Beweise.    
  30 in Ansehung der Schutzgründe ihrer Schätzung bewiesen      
  31 haben. Herr Bernoulli, Herr Hermann und Wolff haben nichts gesagt,      
  32 was demselben an Erfindung und scheinbarer Stärke gleich käme. Ein      
  33 so großer Mann, als Herr von Leibniz war, konnte nicht irren, ohne      
  34 daß ihm sogar derjenige Gedanke rühmlich sein mußte, der ihn zum      
  35 Irrthum verleitete. Wir wollen in Ansehung dieses Beweises dasjenige      
  36 sagen, was Hektor beim Virgil von sich rühmt:      
           
     

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