Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 022

     
           
 

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Text (Kant):

 

Randtext (Kant)

 

 

 
  01 Wesen die vollständige Quelle aller seiner Bestimmungen in sich enthält,      
  02 so ist nicht nothwendig zu seinem Dasein, daß es mit andern      
  03 Dingen in Verbindung stehe. Daher können Substanzen existiren      
  04 und dennoch gar keine äußerliche Relation gegen andere haben, oder      
  05 in einer wirklichen Verbindung mit ihnen stehen. Weil nun ohne      
  06 äußerliche Verknüpfungen, Lagen und Relationen kein Ort statt      
  07 findet, so ist es wohl möglich, daß ein Ding wirklich existire, aber      
  08 doch nirgends in der ganzen Welt vorhanden sei. Dieser paradoxe      
  09 Satz, ob er gleich eine Folge und zwar eine sehr leichte Folge der      
  10 bekanntesten Wahrheiten ist, ist, so viel ich weiß, noch von niemanden      
  11 angemerkt worden. Allein es fließen noch andere Sätze aus derselben      
  12 Quelle, die nicht minder wunderbar sind und den Verstand so zu      
  13 sagen wider seinen Willen einnehmen.      
           
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§ 8.
     
           
  15 Weil man nicht sagen kann, daß etwas ein Theil Es ist im recht    
  16 von einem Ganzen sei, wenn es mit den übrigen Theilen metaphysischen    
  17 in gar keiner Verbindung steht (denn sonst würde kein Verstande    
  18 Unterschied unter einer wirklichen Vereinigung und unter wahr, daß mehr    
  19 einer eingebildeten zu finden sein), die Welt aber ein wie eine Welt    
  20 wirklich zusammen gesetztes Wesen ist, so wird eine Substanz, existiren    
  21 die mit keinem Dinge in der ganzen Welt verbunden könne.    
  22 ist, auch zu der Welt gar nicht gehören, es sei denn etwa      
  23 in Gedanken, das heißt sie wird kein Theil von derselben sein.      
  24 Wenn dergleichen Wesen viel sind, die mit keinem Dinge der Welt      
  25 in Verknüpfung stehen, allein gegen einander eine Relation haben,      
  26 so entspringt daraus ein ganz besonder Ganzes, sie machen eine ganz      
  27 besondere Welt aus. Es ist daher nicht richtig geredet, wenn man in      
  28 den Hörsälen der Weltweisheit immer lehrt, es könne im metaphysischen      
  29 Verstande nicht mehr wie eine einzige Welt existiren. Es ist      
  30 wirklich möglich, daß Gott viele Millionen Welten, auch in recht metaphysischer      
  31 Bedeutung genommen, erschaffen habe; daher bleibt es unentschieden,      
  32 ob sie auch wirklich existiren, oder nicht. Der Irrthum,      
  33 den man hierin begangen, ist unfehlbar daher entstanden, weil man      
  34 auf die Erklärung von der Welt nicht genau Acht gehabt hat. Denn      
  35 die Definition rechnet nur dasjenige zur Welt, was mit den übrigen      
           
     

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