Text 217, Gotthard Heidegger: Mythoscopia, Zürich 1698

Im Text sehen Sie die farbigen Kodierungen für Substantive, Adjektive, Verben, Zahlen und Potentiell, außerdem für Überschriften, Namen, Zitate, Hervorhebungen und Eingriffe. Bei annotierten Wörtern können Sie die Annotationen anzeigen lassen, indem Sie die Wörter anklicken. Duch Doppelklicken verschwinden die Annotationen wieder.

Das Laden der Annotationen kann einen Moment dauern, in dem die Seite nicht reagiert.

Text 217

Gotthard Heidegger: Mythoscopia romantica: oder Discours von den so benanten Romans, das ist erdichteten Liebes- Heldē- und Hirten-Geshichten (...) verfasset von Gotthard Heidegger / V.D.M.

Zürich, 1698, David Gessner, 44, 223 S., Reg.
Osthochalemannisch, Zürich.
Zeitraum: VII, 1698.
aufgenommen: S. 1-80, 28.
Verfasser: Gotthard Heidegger, *1666 in Stein/Rhein, Sohn eines Pfarrers aus Zürich, Ausbildung in Zürich, 1689 Pfarrer in St. Margarethen, 1697 in Rorbas, 1705-†1711 in Zürich
Drucker: David Gessner, Drucker in Zürich ab 1670, sein gleichnamiger sohn bis †1704
Textart: Unterhaltsamer Text ("schoene Literatur")
Seite 1
1 MYTHOSCOPIA
2 ROMANTICA,
3 oder
4 DISCOURS
5 Von den
6 ROMANEN,
7 Das ist:
8 Erdichteten Liebes--
9 Stats-- Helden-- und
10 Hirten-Geschichten.
11 8.1.
12 JN einer freundlichen
13 und fruchtzielende̅
14 underredung kame
15 under anderm vor/
16 daß villeicht keine uͤberseztere
17 Kunst in der
18 Welt were/ alß Lenonia, welche die
19 gute Teutsche / auf Macedonische Einfalt/
20 Kupplerey oder Hurenwirtschafft
21 nennen; Man wolte es erweisen
Seite 2
1 mit anziehung der meisten andren
2 sonst erlaubt- und loͤblichen Kunst-- und
3 Wissenschafften/ die jenner vielfeltig
4 einzugreiffen/ und dem buhlerischen
5 Feur Stroh beyzutragen sich anmasten.
6 Die Bilder-- und Mahlerkunst
7 muste am ersten durch die Hechel
8 spazieren/ und wurde des Praxitelis
9 und Phidiæ Venus-- und Cupido-Bilderen
10 gedacht/ die also außgemacht
11 gewest/ daß sich einige zu Athen
12 auf abentheurliche weise damit
13 genarret. Bey dem Terentien habe ein
14 Juͤngling auß anlaß eines Gemaͤlds/
15 darinn der guldne Regen gegen die
16 Schoß der Danäe gebildet ware/
17 schaͤndliches Feur empfangen. Allwo
18 dann der Author genug verdeutet/
19 daß selbiges in dem Hurenhauß/ alß
20 an gehoͤrigem Ort/ gehangen. Bey
21 dem Propheten sagt Gott der Herr von
22 der Aholiba ( da er zugleich ihre geistliche
23 und leibliche Hurey bestrafft: )
24 Wo sie gemahlete Maͤnner an
25 der wand sahe/ Bildnussen der
26 Chaldeeren / mit Zinober gemacht/
27 die einen gurt um ihre
28 Laͤnden/ und koͤstlich gefaͤrbete
29 Huͤte auf ihren Haͤubtern hatten/
Seite 3
1 '-'-'-'-erbrandte sie gegen
2 ihnen/ so bald sie nur ihrer augen
3 ansichtig war/ und sendete
4 Botten nach ihnen. rc.
5 2. Jch werde ( wurde fehrner beygefuͤgt )
6 bewoge̅ dises ohnschwher nachzugeben/
7 wann ich mich erinnere der
8 wand-gemaͤlden/ so ich ohnlaͤngst in einem
9 Graͤflichen Schlaffzimmer gewahret:
10 ganz aͤhnlich denen/ so Keiser
11 Tiberius in seinem Ruh-gemach gehabt/
12 darvon die Historien ( lieber/ alß
13 ich ) melden. Eine gewisse Nation wird
14 besten fleiß anwenden/ daß es ihr mit
15 zuruckbringen der Heidnischen Bilderen
16 und Contrafait-Arten nicht weniger
17 gelinge/ alß mit andren Eitelkeiten/
18 so sie durch ganz Europam
19 außgestreut/ und nunmehr wol verdient
20 dessen Hellas, oder Sybaris benannt
21 zuwerden. Es ist schon durchgehnde
22 Mode/ daß sich die Leuth in so
23 liederlicher Kleidung abmahlen lassen/
24 alß sie sich villeicht schaͤmen wurden
25 vor ehrlichen Augen also aufzutretten.
26 3. Jemand machte sich an die Musickunst/
27 und klagte/ daß ohnglaͤublich/
28 wie vil schaͤndliche Funcken dise
29 mit ihren uͤppigen Melodien und
Seite 4
1 Schand-Liedergen herum speye? Die
2 H. Schrifft tuht der Huren-Lieder
3 meldung: Jtem der Buhl-Lieder/
4 so lieblich zusingen seyn. Sie sagt nachdenklich:
5 Nim̅ die Laute/ und gehe
6 in der Statt herum/ du vergessene
7 Dirn. Mache es gut von
8 mancherley Liederen/ damit deiner
9 widerum gedacht werde.
10 Denn man weist genug/ wie tauglich
11 sondere Gesang-weisen seyn das
12 Gebluͤt reg zumachen und zuallarmieren:
13 Da man den Ohrendekel/
14 wie Xenocrates, und Ohrenstepfel/
15 wie Ulysses vonnoͤthen hette. Hievon
16 ist zusehen der gelehrte Heidnische Sittenlehrer
17 Plutarchus.
18 4. Wann die Music-kunst diesen
19 heßlichen Zweck erreichen wil/ hat sie
20 ( also verfolgte man ) eine gelenke Hilfsschwester/
21 an dem Muthwilligen
22 Dantzen. Jhre soͤhne ( sagt dorten
23 Job: ) halten Daͤnze/ sie erheben
24 sich ab der Trummen/ und
25 Harfen/ und freuen sich der Geigen.
26 Und Christus. Wir haben
27 euch gepfiffen/ und ihr habet
28 nicht gedanzet. Darum beschreibet
29 es die H. Schrifft alß ein Werk
Seite 5
1 der Finsternuß/ und beginnen der
2 dollen Welt-kaͤlberen. Eben dises mag
3 gewest seyn der zaͤpplende Herein-tritt/
4 der reischen Toͤchtern Zion / die an ihren
5 Fuͤssen Spangen tragen/ oder wie
6 der Grund-Text lautet [? ]
7 gressuum modulos fingunt,
8 Kunstschritte thun/ Danzen.
9 Bey dem Ezechiel klaget Gott der
10 Herr ingleichem sehr/ daß seine Jerusalems Leuth
11 die Beine von einandern
12 gethan ([?] ) ultró
13 citroque jecisti pedes ) gegen
14 allen die voruͤber gegangen/ und vil
15 Hurerey getriben. Niemahl hat mich
16 zu scharff gedaucht jennes Weisen
17 Heiden Außsag: Es danze kein
18 nuͤchterer und kluger. Niemahl
19 der Spruch so Augustino zugeschriben
20 wird/ daß an dem Sonntag
21 waͤger seye hinter dem Pflug/
22 alß zum Danz gehen. Niemahl/
23 was jenner andre sagt: Der Danz
24 waͤre ein kreiß/ dessen Mittelpunct
25 der Teufel. Zwar/ bey denen
26 Daͤnzen/ so in H. Schrifft beschriben
27 werden/ ware der Mittel-punct
28 ein mahl Baal / das andre mahl das
29 guldne Kalb. Endlich sagt dort der
Seite 6
1 Satan selbst zu Gott dem Herrn/
2 er komme[?] vom Danzen/ als von
3 seinem divertissement, dem er/ wie
4 die Zauber-Historien wissen/ noch
5 heut zu Tag ergeben.
6 5. Hienaͤchst erwoge man/ was
7 die Red-- und Schreib-kunst vor
8 beytrag lieferte/ man stelle da gottlose
9 Reglen die verliebte Prunckwort
10 ( dann so nennet man die Complements )
11 zufuͤhren/ mit ohnbekanten
12 Ziffern zuschreiben/ Buhl-Brieffe zustellen/
13 dergleichen Aristænetus, Æ. Sylvius,
14 Caviceus, Hoffmanswaldau
15 und vil andre/ die sich theils nicht
16 nennen doͤrffen/ ganze Gebaͤnd und
17 Liebes-kammeren voll hinterlassen.
18 Der Arzney-kunst ward nicht
19 vergessen/ und wolte bald ohngescheut
20 gesagt werden/ sie bemuͤhe sich nicht
21 selten mehr Seel und Zucht zuverderben/
22 als den Leib zucurieren. Diser
23 ( gedachte man ) hatte Lucretius zudanke̅/
24 was ihm von seiner Maítressen
25 widerfahren. Diser Livia, was ihr
26 von Eudemo ihrem Leib-Arzt/ u.
27 Messalina, was ihr von V. Valentio
28 gedienstet worden. Man lese
29 nichteben Ovidium, Theophrastum,
Seite 7
1 Lucretium, sonder auch viler
2 heutigen Aerzte Buͤcher. Was vor
3 Sachen kommen da nicht vor? Und
4 damit ich von dem minsten sage/ wie
5 vil Schmink-- und Anstreich-werk/ wie
6 vil Schmeck-werk ( davor Gott der
7 Herr dort seinen Juͤdischen Damen
8 Gestank drohet ) / wie vil andre Haͤndel
9 und Nehr-Oel der Geilheit
10 6. Der hat sich villeicht als ein
11 beygethaner diser Facultaͤt raͤchen
12 wollen/ der das Wort aufgefangen
13 und der Philosophie, Politic, und
14 Theologie eben so wenig zuvergessen
15 befohlen/ dann ( bracht er vor ) auch
16 dise vergessen ihrer selbst offt schaͤndlich/
17 und stuͤmplen mit amoureusen
18 Haͤndlen: Von jenner bezeugen es die
19 Lehr-saͤtze und Maximes, Platonis,
20 Aristippi, und andrer. Von selbiger
21 die Gesaͤtze Lycurgi und Solonis,
22 item die saubere Mandata, so vormahl
23 in dem Roͤmischen Venus-Tempel
24 gehangen: Von diser ist ein Beweißthum
25 die Religion der Nicolaiten
26 und andrer. Jtem jenne orthodoxe
27 Geistliche/ deren Hieronymus gedenkt/
28 daß sie unter religieusen prætexten
29 dem Matronen-Volk beygeschlichen/
Seite 8
1 und das Dauben-Leben mit
2 ihnen gefuͤhrt. Damit ich geschweige
3 der Lehre und Praxis jennes Franciscaner-Moͤnchen
4 Cornelii Adriani
5 zu Dordrecht / und viler anderen heutigen
6 scheinheiligen Pathicorum, die
7 sich zu weil groͤblich verrathen/ was
8 hinter ihren plausiblen Singularitaͤten
9 vor ein knott stecke.
10 7. Es wurde zulang/ und unserm
11 Zweck sehr sauͤmlich fallen/ wann
12 alles beygebracht werden muͤste/ was
13 dißfahl ab Mechanischen Kuͤnsten
14 geklaget worden: als die durch Erfindung
15 schaͤndlicher Alamodereyen/
16 Halb-kleideren/ Co-ischen Gewandes/
17 Verlarffungen/ sonderlicher Lust-Haͤuser/
18 Zimmer/ Schauburgen/
19 rc. Jtem der Mum̅ereyen/ Reitschulen/
20 Tourneamenten/ Schauspilen
21 ( denen sonderlich ein kluger Heid hierinn
22 maͤchtige schuld gibet ) und andrer
23 dergleichen Sachen/ laut trauriger
24 erfahrung/ dem grossen Welt-goͤtzen/
25 den der Apostel nennet Lust des
26 Fleisches/ sinnreich hofieren/ und
27 die Einzugs-Strassen zurichten. Der
28 edlen Dicht-kunst were gern geschwiegen
29 worden/ allein es zeigten
Seite 9
1 alle Seiten/ wie greulich sie vor anderen
2 auß mit disem Ohnrath bestaͤnkeret.
3 Ovidius, hierinn ein unsaubers Muster/
4 sagt: composui teneros non
5 solus amores, Er seye es unter den
6 Pœten nicht allein/ der mit Buhlerischen
7 Haͤndlen zu Markt gefahren/
8 und erzehlt dann vast alle Griechische
9 und Lateinische Poëten der Laͤnge
10 nach/ erweisend/ daß sie von Liebes-Haͤndeln
11 alle geschriben haben. Sonderlich
12 sagt er an einem Ort/ da er von
13 den Mitlen wider die Liebe handlet/
14 sehr merkwürdig:
Seite 10
5 Allwo das erste Vers-Paar auf
6 Teutsch also lautet:
7 Jch muß dir dise Witz fast wider
8 willen schaffen/
9 Und rahten/ wenn du wilst der
10 Keuschheit ehrer seyn/
11 Du solst das reische Volck/ die
12 Dichter/ nicht begaffen/
13 Mich selbsten schreib ich hier alß
14 einen Kupler ein.
15 Und in Warheit verdienen sie keinen
16 bessern Name̅ als Kuppler und Huren-wirte
17 benamset zuwerden/ wiewol den
18 Heidnischen/ als die ihrer Theologie
19 damit nicht zunahe gethan/ nachzusehen
20 waͤre/ wann nicht auch Christen /
21 und unter disen Theologi, und
22 Bischoͤffe auf vil aͤrger- und aͤrgerlichere
23 weis ihre Gedicht mit Venerischen
24 Possen angefuͤllt/ und vermeint
25 hetten/ daß ohn dise/ keine Pœterey
26 Haͤnde und Fuͤsse hette/ wie jennes
27 Schwein/ ohne Aichel/ Traͤberen/
28 und Stanck-Muos were keine Mahlzeit
29 geschmack.
30 8. Endlich kam es auf das Buͤcher-schreiben
Seite 11
1 ins gemein/ und wolte
2 behauptet werden/ daß der Satan
3 lang zuschaffen hette/ ehe er so vil außrichten
4 wurde/ alß durch Venerische
5 Buͤcher zu stand kaͤme. Dise weren
6 gleichsam seine feurige Pfeil/ die allerding
7 weiter drungen/ alß er selbst.
8 Und waͤre nach dem Außspruch der allerweisesten
9 kein gedeylicherer Werkzeug
10 zuverderben/ als ein schlimmes
11 Buch. Niemand verlangte deren zugedenken/
12 die außtruͤcklich mit Hoͤlwuͤrdigen
13 Lobreden und Anleitungen
14 von solcher Materi einst und neulich
15 geschriben/ und mit samt dem ehr-vergessenen
16 Papier in Molochs Arme
17 hetten sollen geworffen werden; Es
18 scheinet ja/ als wann die Namsung
19 selbst kaum erlaublich/ und ist ohne
20 zweifel niemand/ der noch mit sich reden
21 laßt/ und nicht zum Thier/ oder wie
22 die alten sagten/ zum Kathkefer worden/
23 zufinden/ dem davor nicht von
24 Herzen grauwet. Also bliebe man allein
25 uͤber den so genanten ROMANEN,
26 oder erdichteten Liebes-Geschichten
27 etwas versaumt stehen/ und beliebte dise
28 Materi zu gruͤndlicherer Unterforschung.
Seite 12
1 9. Allhier hoͤrten unsere Discoursanten
2 auf einen Pfad zutretten/
3 und uͤbernahmen theils die beschoͤnung
4 solcher Buͤcher/ theils wolten ihnen
5 nicht besser als vorerwehnten Lock-Aassen
6 der Ueppigkeit deferiren. Diser
7 Zwist scheinet eben so wichtig/ als
8 der Streit der Trojanischen Grandes;
9 als die Griechische Allierte wegen
10 der entfuͤhrten Helena das
11 Schwert entbotten; ob man die Ungluͤcks-schuldige
12 Dirn fortjagen/ wie
13 die recht-gesinnete mit Antenor vermeinet/
14 oder ob man sie in Schutz nemmen/
15 und die Sach auf des Rappiers
16 Spitze solt kommen lassen? wird also
17 nicht unthunlich seyn/ dises curieuse
18 Wort-Gefecht etwas weitlaͤuffiger
19 mit hoffender Ergezung abzuhoͤren.
20 10. Weil nicht zuhoffen steht/ ( also
21 begonne die einte Meinung/ ) daß die
22 jenige so in den Romanen bewandert/
23 und ihre beste Zeit under disen Blaͤttern
24 verscharret haben/ die schaͤdlichkeit
25 derselben mercken oder erklaͤren
26 werden: Wie auch diejenige/ so in einem
27 uͤbel-riechenden Gemach lang
28 gestecket/ dessen stanck letstlich weder
29 zufuͤhlen noch zugestehen pflegen; Als
Seite 13
1 wird sich endlich ein vernuͤnfftiges Urtheil
2 durch die jen̅ige finden koͤnnen und
3 sollen/ welche zuweil einen Blik darein
4 gethan/ und wenigst nicht unwissend
5 seyn/ nach was vor einer Ellen sie
6 alle außgemacht seyn. Wer erfahren
7 wil/ was das Meer-Wasser vor einen
8 Geschmack hege/ muß nicht eben
9 das ganze außdrinken/ sonder kan es
10 auß etlich wenig Tropfen inne werden.
11 So ist es mit den Romanten. Dise
12 sind wuͤrcklich ein ohnendlich Meer
13 worden/ und koͤnte man von ihnen sagen/
14 was das Sprichwort von den
15 Penglen meldet/ wer sie auflesen wolle/
16 finde bald einen Arm voll: Wann
17 ein Quartal verstreicht/ da nicht einer
18 oder mehr Romans auß/ und in
19 die Catalogos kommet/ ist es so seltsam/
20 als eine grosse Gesellschaft/ da
21 einer nicht Hanß hiesse. Manchem
22 ermanglet nicht an einem Wand-gestell
23 voller Romans, aber wol an Bibel
24 und Bettbuch. Mann-- und Frauwen-Volk
25 sitzt daruͤber/ als uͤber
26 Eyern/ Tag und Nacht hinein. Einige
27 thun gar nichts anders: Man stost
28 sie der Jugend gar fruͤhzeitig in die
29 Haͤnde. Die Kunst-Quelle aller Witz/
Seite 14
1 Artigkeit und Galanterie sol in den
2 Romanzischen Albertaͤten stecken. Es
3 seyn deren/ die von dem Hercule und
4 Arminio sagten/ wie Theodorus
5 Gaza von dem Plutarcho: Er wurd
6 befraget/ wann er alle seine Buͤcher
7 den gruͤnen Heringen nachsenden muste/
8 welches er zuletst hineinwerffen
9 wolte? den Plutarchum, sagt er.
10 11. Mir aber ( erwehnte man foͤrders )
11 ist dise Meinung allzeit ingelegen/
12 es moͤchte der Apostel Paulus
13 nicht weit von disen Buͤchern gedacht
14 haben/ da er vermahnet: Der verruchten/
15 und Alt-vettlischen Fablen
16 entschlage dich/ uͤbe dich aber
17 selbst zur Gottseligkeit.[?]
18 nennet er sie/ ohngeistliche/
19 ohnreine/ garstige. Wie solche die
20 Romans leicht-erweißlich alle seyn.
21 Und wann der Apostel vornemlich
22 auf die Thalmudische sehen sollte/
23 wie anderstwo/ so seyn jenne disen
24 ganz nahe verwandt. Also were zuwuͤnschen/
25 daß wie einst die Roͤmer
26 den Keusch-gesin̅ten LEGUMINA'&
27 FABAS, Huͤlsenfrucht und Baurn-Mandel
28 zuessen verbotten/ also man
29 ihnen gleicher Ursachen und mehrerer
Seite 15
1 Noͤthigkeit wegen LEGENDAS
2 FABULAS, das Roman-Lesen abstricken
3 wurde. Es wird die widrige
4 Meinung den Anstand eingehen/ biß
5 von der ROMANEN Ard/ Ursprung
6 und Fortpflanzung die Nothdurfft abgehandlet
7 worden/ nachhin wird so
8 wol den ein-- alß vorwuͤrffen/ Verhoͤr
9 und Bescheid nicht vorenthalten werden.
10
11 12. Um die Definition und kurtze
12 Außmarkung der Sach/ ware kein
13 sonders Gefecht/ und allerseits nachgegeben
14 die ROMANS waͤren erdichtete
15 Historien/ von underschidlichen
16 wundersamen Begebenheiten
17 und Zufaͤhlen der verliebten/
18 in loser Rede geschriben.
19 Wobey angewahret worden/ daß die
20 Liebes-Geschichten das vornehmste
21 Thema der ROMANEN, und wo dise
22 nicht Dach und Fach waͤren/ koͤn̅ten
23 wol Fable̅/ aber nicht ROMANEN seyn/
24 wie Huetius bezeuget/ von ihrer Ordnung
25 und structur wird besser unden
26 etwas erwehnt. Obige Definition
27 suchte man widriger Seits zuerlaͤngeren/
28 daß die ROMANS zur Ergezung/
29 und Erbauwung des Lesers
Seite 16
1 dienten. Woruͤber zur Antwort
2 geflossen/ daß die Ergetzung nicht allen
3 Leseren widerfuhre/ die Erbauung
4 aber sehr wenigen/ und nur zufaͤlliger
5 weis; Man mußte auf disen schlag
6 auch in der definition des Gifts erwehnen/
7 daß es zur Gesundheit diene/
8 weil sich bey etlichen also befunden. Also
9 bezoge man sich auf den Außschlag
10 des Discourses.
11 13. Ward demnach von de̅ Franzoͤsischen
12 Wort Roman, oder Romant
13 geredet/ und anerwogen/ daß
14 man diser Nation billich uͤberlassen/
15 disen Materien einen besondern und
16 daurenden Nam̅e zuerfinden/ als die
17 der Romanen vornemste Eraͤuffnerin/
18 und mehr solcher sachen getragen/ als
19 die andre alle. Auch koͤnten die Conjugata
20 in keinem andren Titul schicklicher
21 seyn/ dann zum Beyspil heisse
22 bey den Spaniern und Franzosen / Romance,
23 eine verdorbene und Alt-Fraͤnksche
24 Sprache. ROM selbst wird
25 als die Mutter der Hurerey in Heil.
26 Schrifft beschrieben/ welches ein grosser
27 Theil der Roͤm. Catholischen mitgestehet.
28 Die Ludi Romani, oder
29 Roman-Spiel daselbst/ welche Tarquinius
Seite 17
1 Priscus zu Ehren Iovis, Iunonis
2 und Minervæ gestift/ wurden
3 mit uͤppigen Vorstellungen ( Fabulis
4 Atellanis ) befeyret: Des Papirii
5 Tolucri Sohnes/ Papirii Romani
6 begonnene Liebes-Haͤndel/ darinn er
7 den Griechischen Macareum vorgestellet/
8 sein ein vollstaͤndiges Muster
9 der PAPEIRERNEN ROMANEN.
10 Die beide letstere aber geben wir allein
11 vor Conjugata Fortuita, oder
12 ohngefaͤhrliche Angleichungen auß.
13 14. Woher aber ( verfolgte man )
14 das Wort eigentlich herstam̅e/ ist nicht
15 allzuklar/ wir muͤssen ein par Franzosen
16 selbst davon hoͤren. Der erste ist
17 Verdier, der zwar den Ursprung den
18 Franzosen mißgoͤnnet/ und meinet/ das
19 Wort ROMAN komme durch Buchstabwexel
20 her von den NORMAnnen /
21 in deren Sprach die ROMANS zuerst
22 verfast seyen. Welcher Meinung villeicht
23 auch der verruͤhmte Schwede
24 Rudbek beypflichtete/ welcher davor haltet/
25 die Griechische Mythosophia
26 oder Fabelweißheit muͤsse gaͤnzlich den
27 Nordlaͤnderen gedanckt werden/ und
28 gefallen ihm und andern zu einem Beweisthum
29 dessen die uhralte Gedichte
Seite 18
1 von der Nordischen Goͤttin Edda. Aber
2 dise Meinung verdienet wenig
3 Beyfahl/ denn wie alle gelehrte wissen/
4 ist der Buchstabwexel eine allzuungewisse
5 kwell die Wort herzuleiten/
6 sonst muͤste billich verdaͤchtiger seyn
7 das Lateinische Wort AMOR Liebe/
8 weil dise der ROMANEN haupt-innhalt.
9 Jst also/ die Sach selbst seye wie
10 sie wolle/ hierinn des Titels halben
11 nichts zuverlaͤßliches.
12 15. Vor die andre Meinung
13 ist der hochgelehrte Bischoff zu Soisson
14 weit glaubwirdiger/ daß nehmlich dises
15 Wort von dem obbedeuteten Wort
16 Romance hersprosse/ alß womit die
17 von den Roͤmeren in Frankreich eingefuͤhrte/
18 aber uͤbel verhergte Lateinische
19 Sprach/ in deren dise Gedichte vor
20 alters sehr haͤuffig abgefast worden/
21 von den Einwohnern in Gallo-Liguria,
22 sonderlich den Troyerren / das ist
23 alten Poëten oder Marcksingeren betittlet
24 war. Wovon er selbst zulesen/
25 uns kan an disem Wort nicht hohe gelegen
26 sein. Eben diser Author lacht
27 den Pignam auß/ weil er den Ursprung
28 des Worts á Rhemensibus,
Seite 19
1 von den Einwohneren der Statt
2 Rheims herkuͤnstlen wollen.
3 16. Den Uhrsprung der Sach
4 selbst belangend/ wurd ohnverhohlen
5 gedacht des grossen Erfinders/ Patriarchen
6 und Mecænaten der Luͤgen/
7 Fablen/ und Maͤhrgen/ der in H.
8 Schrifft benamst ist. Wann ( erwehnte
9 man ) jenner scharfe Kirchenvatter
10 sagen wollen/ der leidige Satan habe
11 die Traurspiel/ in denen man vor zeiten
12 hohe Halbstiffel gebraucht/ erdacht/
13 damit er die Worte Christi der Unwahrheit
14 zohe/ der gesagt/ es koͤnne
15 keiner seiner Laͤnge ein Ell hin zuthun/
16 so kan man leicht erachten/ wem er die
17 Roman wurde gedanckt haben? zwar
18 kom̅en die Roman besser mit den Comædien/
19 alß Traurspilen uͤberein:
20 Ja was sein sie vil anders/ alß in loser
21 Sprach beschribne Comædien? Nun
22 wil die Gelehrte allerding beduncken/
23 daß selbige herkommen von dem garstigen
24 Abgott Como, welcher kein andrer/
25 alß der in H. Schrifft beschreyne
26 Moabitische Greuwel-Goͤtz/ Camos,
27 hiemit der Satan/ nnd wollen
28 einige/ daß auch Comitas ( Galanterey/
Seite 20
1 Courtesey eine wider erauffnete
2 F. Tugend ) danahen uhrsprunge.
3 17. Disem wurde underschidlich
4 widersprochen/ weil aber die entwedere
5 Wahrheit auß dem Verfolg
6 des Discurses erhellen muste/ wurde
7 fortgefahren und gestanden/ daß die
8 Romanen grosse Verwandschafft
9 underhielten mit den Freuden-- Lust--
10 und Hirtenspielen/ und wol eins auß
11 dem andren abgesehen seyn doͤrffte;
12 Nun waͤre die alte ( hieher gehoͤrige )
13 Ard der Comædien erfunden entweder
14 von dem Megarenser Susarion,
15 oder von Eupulo, und Cratino.
16 Neben dem wuste man zwar nicht eigentlich/
17 wie die alte Ciprische/ Sybaritische
18 und Milesische Fablen/ deren
19 die alte offt gedencken/ alle waͤren gestaltet
20 gewest/ doch aber koͤnte auß
21 den Umstaͤhnden ohnschwer abgenommen
22 werden/ daß sie lauter um
23 Wohllust/ und Buhlerreizung waͤren
24 abgesehen gewest/ und den Romanen
25 meisttheils nicht ohngleich gelautet. Es
26 waͤren aber selbige so wol alß die Poemata Sotadica,
27 Epica, Mimica 'c.
28 Gebruͤtsel und Veranlasungen der
29 Heidnischen Poͤbel-Theologie ( denn
Seite 21
1 die Geheime war etwas anders beschaffen: )
2 welche in lauter uͤppigen
3 Fablen bestahnden/ und der Goͤtter
4 thun zu lauter Buhlerey und Venus-Nascherey
5 gemacht/ daß mau es nicht
6 kuͤrzer sagen koͤnte/ alß jenner:
7 In Cœlo est meretrix, in Cœlo est
8 turpis adulter.
9 Es rufft der Heiden Man
10 Nur Hur'n und Hurer an.
11 18. Griechenland heist bey
12 den Authorn Græcia mendax, das
13 verlogne/ da es heist:
14 Et quicquid Græcia mendax
15 Audet in historia. das ist.
16 Das luͤgen-holde Volk verfaͤlschet
17 die geschichten/
18 Und pflegt vor wahre Faͤll/
19 meist Fabeln zuberichten.
20 Davon der Author, der dises klagt/
21 Muster beybringet/ den zu einem schiffreichen
22 Meer gemachten Berg Athos,
23 die Bruͤcken uͤber das Mediterran,
24 die druckenaußgesoffne Fluͤsse/ und andre
25 Sibenhaͤndel. Aber ich wil sagen/
26 und erhalten/ daß in specie die Roman
27 mit ihrer heutigen Form und
28 structur diser Nation um den Uhrsprung
29 verpflichtet seyen. Apuleius,
Seite 22
1 ein Lateiner/ der einen Roman außgestellet/
2 sagt bey dem Anfang gantz
3 klar: FABULAM GRAECANICAM
4 ordimur, lector intende, miraberis.
5 Das ist: Wir begin̅en eine Griechische
6 Fabel/ Leser Sperre die Augen
7 auf/ du solst bald auch das Maul
8 aufsperren. Danahen/ weist man von
9 den Romanen keine aͤltere/ alß die in
10 Griechischer Sprach verfast worden.
11 19. Wider dises zimliche Gezeugnus
12 ward vornehmlich des Huetii
13 Meinung vorgetragen/ daß der Uhrsprung
14 der Romanen/ den alten Perser'n /
15 Egyptier'n / Araber'n / Syrer'n
16 rc. zudancken waͤre: Ja daß villeicht
17 dise Fabel-Ard von den Hebreer'n selbst
18 auf dise fortgepflantzt worden. Die
19 Ionier haͤtten sie zu erst in Griechenland
20 gebracht. Huetius erweise trefflich/
21 vor's erste/ daß dise Nationen so
22 wol vor den Griechen die Fabel-Weißheit
23 im gebrauch gehabt/ alß noch heut
24 zu tag derselben sehr ergeben bleiben;
25 Zum andren/ daß diejenige so Griechische
26 Roman außgestellt/ durchauß
27 auß den erwehnten Nationen buͤrtig
28 gewest/ alß Clearchus, Iamblichus,
29 Heliodorus, Lucianus, 'c.
Seite 23
1 20. Jn der Antwort wollte man
2 zwar diser gelehrten Feder ohngern
3 widerspuͤchig werden: Allein ( gedachte
4 man ) ist die Ohnschluͤssigkeit diser
5 Gruͤnden handgreifflich/ und ihre Befestigung
6 gantz ohnnuͤtzlich. Den̅/ vors
7 erste/ weit ein anders ist/ wenn man der
8 Fabelweißheit und Dichterey ins gemein
9 erwehnet/ ein anders/ wenn man
10 von den Romanen ins besonder redet.
11 Redet man von der ersten/ so sein die
12 Perser / Egyptier rc. nicht nur nicht allein/
13 sonder nicht einmahl die erste. Wer
14 zweiflet daran/ daß alle Voͤlcker/ auch
15 freylich des Rudbeks Nordlaͤnder/
16 nach dem sie in die Finsternuß des Ohnglaubens
17 gerathen/ den Fablen ergeben
18 worden? Wie koͤnten sie anders/
19 da sie das Liecht der Wahrheit verlohren?
20 Lebte nicht der Fabelvatter schon
21 lang vor ihnen? Wie hat die Abgoͤtterey
22 schon vor der Suͤndflutt aufkommen
23 koͤnnen/ ohne in verfableten Gehirnen?
24 Was moͤgen nicht Cain, Iubal,
25 Lamech vor Fabeln ersinnet haben?
26 Hat nicht Enoch der Zungenwascher
27 schon Meldung gethan? Diser
28 und andrer Gedicht koͤnnen drum
29 weit anders gewest sein/ alß Romantische
Seite 24
1 Haͤndel/ wie sie auch in der That
2 anders gewest sein. Auch zihlete der
3 von Huetio erwehnter Nationen
4 Mythologie weit anderst wohin.
5 Der Ægyptier ihre bestuhnde in Hieroglyphicis,
6 und verbluͤmten Physicalischen
7 Vernuͤnfftelungen/ die mit
8 den Romanen keine Gemeinschafft
9 haben. Die Araberische in sittlichen
10 Prosopopeien/ wie ihr Lokman erweist.
11 Die Persier hatten vor dem Liegen/
12 wie jederman weist/ ein sonderes
13 Abscheuͤwen/ und lehrten ihr Kinder
14 vornehmlich reiten/ schiessen und nicht
15 schiessen/ daß ist nicht liegen/ darum ist
16 nicht zuvermuthen daß dergleichen Fablen
17 bey ihnen schwang-gaͤngig gewest.
18 Daran ligt nun nichts/ daß sie/ wie
19 Huet muͤhsam erweist/ in nachgehnden
20 Zeiten etwas Romanisieren gelehret/
21 wie ja der Araber Alcoran,
22 und der Perser Legenden von ihren
23 Heiligen erweisen. Dann auch die Roͤmer
24 und Juden / haben etwa trefflich
25 Romanisieren gelehrnt/ die davon zuvor
26 das groͤste Abscheuͤwen getragen.
27 21. Wer ist aber so alber ( versezte
28 man fehrner ) der nachsehen koͤnte/
29 es haͤtten die Griechen erst zu
Seite 25
1 Cræsi Zeiten von den Ioniern dise
2 Manier der Romanen erlehrnt.
3 Wer weist nicht daß schon zuvor Homerus,
4 ja andre vor ihm/ deren wir
5 hernach erwehnen wollen/ die Reglen
6 der Roman-Schreiberey voͤllig kund gehabt?
7 Zum andren/ ist zwar nicht
8 weniger/ daß die meiste alte Roman-Schreiber
9 ausser Griechenland erboren
10 worden/ aber sie hatten erweißlich
11 alle in dem Griechenland studiert/ sich
12 aufgehalten/ und volgends dise Kunst
13 da erlehrnt/ auch sich keiner andren
14 Sprach bedient. Jch halte nicht darvor
15 daß Huet sagen werde/ sie habens
16 in dem Vatterland under den Windeln
17 gelehrnt.
18 22. Gleichwol ist nicht allzuklahr/
19 wer der erste gewest/ so sonderlich
20 in loser Rede/ die Feder zu solchen Sachen
21 gespitzt; Das aber gewiß/ daß
22 sich Philipp, oder ( wie er heissen wil )
23 Filipp von Zesen maͤchtig verstost/ da
24 er den Thessalischen Bischoff Heliodorum
25 davor außrufft/ wie allbereit
26 auß obigem erhellet: Apuleius, der
27 auch selbst dem Heliodoro bevor gesprungen/
28 wil sagen/ daß Pherecydes
29 der erste gewest/ welcher nun zu Servii Tullii
Seite 26
1 Zeit gelebt. Demodocus und
2 Pherenicus ( da aber ungewiß/ ob sie
3 in gebundner oder loser Ard geschriben )
4 brachten Romantische Haͤndel
5 auf die Bahn/ und lebete diser/ villeicht
6 auch jenner/ vor Homeri Zeiten. Zu
7 Platonis Zeiten hatte Philoxenus
8 eine Liebes-Geschicht abgefast von der
9 Galathe. Dergleichen ohnzehlich
10 mehr/ sein zu grund gegangen/ ohne
11 daß die Welt und Studien mit ihnen
12 verlohren sein. Hat es also seine Beschranckung/
13 wann Huet schreibet daß
14 Clearchus der erste gewest seye.
15 23. Diser Clearchus hat zu
16 Alexandri des Grossen Zeiten gelebet/
17 ist Aristotelis Schuler gewest/
18 und hat Liebes-Sachen geschriben.
19 Jhm ist bald gefolgt Ant. Diogenes,
20 der 24. Buͤcher von der Jnsul Thule,
21 oder Liebes-Geschicht Diniæ und
22 Dercyllidis geschriben/ davon Photius
23 einen Außzug gibet/ und hat er
24 nach dessen Rechnung/ bald auf Alexandrum
25 gelebet: Zu Ar[?]axerxis
26 Zeiten aber hat Palæphatus seine
27 [?]oder unglaͤubliche Sachen zusamen gestuͤrzt/
28 und sehr vil romanisiert/
29 wonahen Palæphatia papyrus
Seite 27
1 Fabel-Buͤcher heist. Von Antiphane,
2 Aristide Milesio, Lucio von Patros,
3 Iamblicho dem Elteren / dem
4 undergeschobnen Athenagora, und
5 andren schweigen wir um kuͤrze willen.
6 Deßgleichen von einem oder zweye̅
7 Philostratis, welche zu Neronis und
8 Severi Zeiten disen Stein auch moͤgen
9 gewalzt haben.
10 24. Zu Trajani Zeiten hat
11 der beruͤhmte Philosophus Plutarchus,
12 auch etliche Romans abgefast/
13 under denen nur noch einer in seinen
14 Schrifften vorhanden/ den er Eroticum
15 benamst/ aber heut zu Tag uͤbel
16 zerfleischt ist. Wir kommen nun zu
17 einem grossen Liecht der Roman-Studien/
18 Heliodoro dem beruͤhmten
19 Bischoff zu Tricca in Thessalien / der
20 Hieronymi Correspondent gewest.
21 Diser hat eine Liebes-Geschicht
22 abgefast von der schoͤnen Cariclea,
23 welche Huetius, ausser dem Stylo,
24 mit maͤchtigen Lobreden zumaͤstet.
25 Auß disem Roman haben nicht nur
26 vor etwas zeits Guarini, und d'Urfe,
27 in ihrem Myrtillo und Silvander,
28 ja alle neue Roman-Schreiber/ die
29 etwas sonderes außgelegt/ sehr vil abgesehen/
Seite 28
1 sondern es hat auch bald nach
2 ihme Achilles Tatius ein Alexandriner /
3 da er noch ein Heid ware/ mit
4 dessen Kalbel sehr gepfluͤget/ ( wiewol
5 ohne vergleichliche Sinnreichheit/ )
6 in seiner Fabel vom Clitophon und
7 Leucippe, und bewundert man nicht
8 ohnbillich/ warum man disen uͤppigen
9 Author nach seiner Bekehrung so bald
10 mit dem Bischoffs-Hut begabet?
11 Photius verwirfft ihn hoͤchlich. obiger
12 Heliodorus ist wegen seines Romans,
13 den er nicht verbrennen wollen/
14 von seinem Bistthum abgestossen worden.
15
16 25. Des Mamelucken Luciani
17 muͤssen wir nicht vergessen/ der obbesagten
18 Iamblichi, und Lucii von Patros,
19 ( den er außgeschriben ) Coætaneus
20 gewest/ zu Aurelii M. Zeiten.
21 Seine Schrifften sein allzubekannt:
22 Er war letstlich von den Hunden
23 gefressen. Seines Nachfolgers
24 Apuleii werden wir hernach erwehnen.
25 Under den neuͤweren Lucianisieren
26 der Author des Brancaleons,
27 und Mich. Cervanteus. Jtem Fr. Albanus,
28 der A. 1637. den einfaͤltigen
29 Roͤmisch-Catholischen Muͤnchs-Esel
Seite 29
1 herauß gesezt. Aber dise Sachen
2 gehoͤren nicht uͤberal zu den Romanen.
3 Gegen dem 12. Seculo ( doch
4 weists man nicht gewiß ) hat sich der
5 Sophist Longus hervor gethan/ der
6 einen sehr uͤppigen Roman oder Hirten-Geschicht
7 von Daphnide und
8 Chlöe hervor gegeben. Auß disem
9 moͤgen Monte Major seine Diana,
10 Guarini seinen Pastor Fido, Tasso
11 sein Amynta, und vil andre ihre heutige
12 Hirtenspiel abgesehen haben.
13 26. Ob aber auch Theodorus Prodromus,
14 der eine Liebes-Geschicht
15 von Dosicle und Rhodante,
16 und Eustathius, Bischoff von
17 Thessalonic, der von Hismenia, und
18 Hismina 6. Buͤcher gedichtet/ ihre
19 Feder in des Sophisten Longi Dinten
20 genetzet/ last sich nicht wol bejahen/
21 in dem es vilmehr scheinen wil/ jenne
22 seyen disem vorgesprungen/ und Nicetas
23 beglaubet daß Eustathius zu Alexii Commeni
24 Zeiten ( A. 1105. ) hiemit
25 nicht erst in der Helffte des 12.
26 Seculi floriert/ wie Huetius vermeint/
27 welcher fehrner in dem Wahn
28 ist/ ob haͤtte er auß Longo das Buhler-Poͤßlein
29 entlehnt/ da er die Hysminam
Seite 30
1 dem Hysmina das jennige
2 Ohrt des Trink-Bechers zukehren
3 macht/ wo sie zuvor die Lippen angesezt:
4 Aber Eustathius hat dise Galanterie
5 wol auß Ovidio ( oder auß
6 denen Griechen / die Ovidius gebraucht )
7 her haben koͤnnen: Der auf
8 ebne Weiß die Helenam einfuͤhrt an
9 den Paris also stylisieren:
10 Pocula proximá nobis
11 Sumis, quaque bibi, tu quoque
12 parte bibis:
13 Das ist:
14 Wo meiner Lippen Safft den
15 Bechers-Rand benetzt/
16 Da hast du deinen Mund auch/
17 sehnend/ angesetzt.
18 27. Damit wir endlch fortfahren/
19 haben die Lateiner den Griechen
20 dise Schreib-Ard bald abgeborgt/
21 und hat schon zu Marii und Syllæ zeiten
22 Sisenna, ein Roͤmischer Scribent
23 des obbenandten Aristidis Milesische
24 Fablen mit Lateinischem Schlag publiciert/
25 wie Ovidius berichtet:
26 Vertit Aristidem Sisenna, nec obfuit
27 illi
28 Historiæ turpes insuerisse jocos.
Seite 31
1 Disen Sisennam haben die Roͤmer so
2 fleissig gelesen/ daß sie ihn auch in Feldzuͤgen
3 nicht dahinden gelassen; Von
4 der Roͤmeren Poëtischen Romanen/
5 Virgilio, Statio, Flacco 'c. wollen
6 wir nichts sagen/ sondern hier den
7 Liebhaber der Antiquiteten berichten/
8 daß die Roͤmer auch die Materien
9 und Sachen selbst schon in der ersten
10 aͤlte von den Griechen erborgt. Zum
11 Exempel. Das Gedicht vom Curtio
12 der in die Pestilenzische Klufft hinein gesprengt/
13 ist die leibhafftige Griechische
14 Fabel von Anchuro dem
15 Sohn Midæ. Die Clusia der Roͤmer /
16 so sich von den Mauren gestuͤrzt/
17 und vermittlest ihrer weiten Kleideren
18 ohnversehrt gebliben/ ist mit allen Umstaͤnden
19 der Griechen Iole, um die sich
20 Hercules, wie um jenne Val. Torquatus
21 beworben. Die Erzehlung
22 von Æmilio der auf der Jagd auß
23 Jrrthum seine Gemahlin erschossen/ ist
24 eine Verdraͤhung des Griechischen
25 Cyanippi. Das Caledonische
26 Schwein/ und der Althea Leschbrand
27 findet sich in der Geschicht Sept. Marcelli.
28 Der Griechen rasende Smyrna,
29 oder Myrrha, die gegen eignem
Seite 32
1 Vatter entzuͤndet worden/ ist der Roͤmer
2 Valeria Tusculanaria. Phædra
3 und ihr unerbittlicher Stieff-sohn
4 Hippolytus sein mit allen Erfolgungen
5 Gidica und Cominius. Der Roͤmer
6 Haupt-Roman von Romulo
7 und Remo, die von einer Woͤlffin gesaͤugt
8 worden/ ist eine natuͤrliche
9 Nachahnung der Griechischen Fabel
10 von den Zwillingen der Philonome.
11 Und so fehrner.
12 28. Under den Roͤmischen
13 Roman-Schreiberen/ die noch vorhanden/
14 sein nun die vornemste Petronius
15 und Apuleius ( denn den
16 Marcianum Capellam, der von
17 dem Ehband Mercurii und Philologiæ
18 geschriben/ wurde man ohnrecht
19 beyzeuhen. ) Petronius, zun Zeiten
20 Neronis, Roͤmischer Consul, hat einen
21 Roman verfast under dem Titul
22 Satyricon, eines Hirtenspiels/ das es
23 doch nicht ist/ mit sonderen Abscheuwlichkeiten
24 angefuͤllt. Sol eine Stachel-Schrifft
25 sein von des Neronis
26 Bubenstucken/ welches Tacitus bezeuget/
27 der beysezet/ daß er sie versiglet
28 dem Neroni selbst uͤbertragen lassen/
29 bald aber den Sigelring zernichtet/ damit
Seite 33
1 er nicht nachgehnds dadurch verrathen
2 wurde. Ob aber dises die vorhandne
3 Schrifft angehe/ macht mich
4 neben andrem Macrobius anstehen/
5 dessen Wort sich darauff vil besser reimen/
6 daß sich Petronius in describendis
7 fictis amatorum casibus,
8 in Beschreibung erdichteter Liebes-Schicknuß
9 ( welches der Romanen
10 Haupt-sach ist ) sehr geuͤbet. Man
11 wurde villeicht besser urtheilen koͤn̅en/
12 wenn das gantze Werck noch zur stell
13 waͤre/ es haben sich aber die Zeit-made̅
14 auff dises Stanckaaß sehr gesetzt/ vnd
15 ein schlechtwuͤrdiges Geruͤpp hinderlassen/
16 daß Dousa bekennen muß/ es
17 seye kaum mehr der zehend Theil vorhanden.
18 Vil der Gelehrtesten haben
19 maͤchtige Muͤh genommen disen Pelops
20 wider zuergaͤntzen/ und darff
21 man villeicht mit Huetio argwohnen/
22 daß er nicht so vil emsige Leser
23 haͤtte/ wo er mit wenigerer Ohnflaͤtterey
24 bestaͤnckeret waͤre. Jch glaube
25 aber sicherlich daß selten 10. Wort in
26 den heutigen Exemplaren stehen/ die
27 auß Petronij Feder also geflossen/ und
28 kan auch da seyn/ daß vil Artzte den
29 Patienten verderbt. Von seinem
Seite 34
1 neugefundnen Supplemento, stehet
2 jetzo nicht zuurtheilen.
3 29. Apuleji guldener Esel in
4 11. Buͤcheren ist weit ertraͤglicher/
5 und hat sonderlich ein sinnreiches Episodium,
6 oder kurtzen Zwischen-Roman,
7 von der Psyche: Es wird aber
8 sein Stylus von den Gelehrten billich
9 ein rauhes Esels-Geschrey tituliert;
10 wiewol er seine Liebhaber auch hat.
11 Zuwuͤnschen waͤre/ daß sein gebrauchtes
12 Recept, dadurch er endlich auß einem
13 Esel zum Menschen worden/
14 noch heut zu Tag wirckbar vnd sicher
15 waͤre/ so solte man keinem Authori
16 mehrere Deferenz zutragen
17 haben.
18 30. So vil von den Romanen
19 der alten Griechen und Roͤmer: wir
20 haͤtten aber von allem außfuͤhrlicher
21 seyn/ und ein und anders wachsamer
22 undersuchen sollen/ wann wir um philologisierens
23 willen da waͤren. Was
24 das uͤbrige Geschlecht-Register der
25 Romanen belangt/ erwarte niemand/
26 daß wir selbiges außfuͤhren werden/
27 wir muͤßten ein Spannen-dick Buch
28 schreiben/ daß letstlich von schlechtem
29 Werth seyn wurde. Wir lassen
Seite 35
1 Huetium reden/ und seyn wol zufriden/
2 daß er es gewinne/ die Frantzoͤsische
3 Nation seye derselbigen einige
4 Erauffnerin/ dero Provincial-Poeten/
5 oder so genante Troverren und
6 Marcksinger/ dises Studium auß
7 dem Heydenthum behalten/ und anderen
8 Nationen/ sonderlich den nechstsitzenden
9 Jtaliern / und Hispaniern
10 eingefloͤßt. Wiewol dahin stehet/ ob
11 die Meinung Salmasii so gar zuverwerffen/
12 der vermeynt es hatten letstere
13 vil von ihren Mauren und Araberen
14 gesogen/ und sagen die so den Amadis,
15 der Spannischen Samens
16 ist/ gelesen/ daß er nach diser Barbaren
17 Zauber-- und Abgoͤttischen Manier
18 sehr stincke.
19 31. Das ist gewiß/ daß
20 Franckreich in disem Studio den
21 Krantz vor aller Welt erfochten/ nicht
22 allein in der Menge solcher Schrifften/
23 sonder auch in der Sinnreichheit/
24 und wolspilenden Erfindungen. Dessen
25 dann die warhaffte Ursach ist/ weil bey
26 diser Nation ein uͤberauß freyer Umgang
27 mit dem Frauen-Volck nit nur
28 vor keine Ohnhoͤflichkeit/ sondern vor
29 die bey nahem einige Geschicklichkeit
Seite 36
1 vorkommet/ auch die Freundschafften
2 zwischen anderwerths verehligten/
3 oder ledigen Personen ohngleichen
4 Geschlechts/ so bey andern rar/ und
5 von mißlicher Beruͤchtigung seyn/ bey
6 ihnen sehr gemein: durch disen Vortheil
7 kan anderst nicht seyn/ es muͤssen
8 tausenderley Arden/ Erfindungen/
9 List-spruͤnge/ Vormuster/ und Außschlaͤge
10 der Liebes-Passion, und folgends
11 zu den Romanen tuͤchtige Einfaͤhle
12 kommen. Welches bey andern
13 Nationen nicht seyn kan/ sonderlich da
14 sie sich auch der vorrissen alter Romanen/
15 wie die Franzosen / nicht zubedienen
16 wissen. Danahen auch/ was
17 zu ermeldter Passion tuͤchtiges und
18 agreables in den Manieren/ Conversationen/
19 und Propren Kleidungen
20 rc. benoͤthiget wird/ auß den
21 wolversehenen Gewoͤlben diser Nation
22 das ganze Europa verlangt.
23 32. Wiewol Jtalien unnd
24 Spanien in dem Fleiß allerhand Romans
25 auffzubringen nicht schlaͤfferig
26 geweßt; Engelland und Holland das
27 seinige nicht ermanglet/ Teutschland
28 endlich auch angelockt/ nunmehr weder
29 Zihl noch Maaß weist/ nicht nur
Seite 37
1 andrer Nationen Romans in seine
2 Sprach uͤbertragt ( da doch unerhoͤrt/
3 daß ein Teutscher in andre Sprachen
4 uͤbersetzt/ und nicht vilmehr verlacht
5 worden sey: ) sondern auch bey
6 etwa 60. Jahren 100erley eigne hat/
7 und sonderlich die Glider seiner Gesellschafften/
8 als der Fruchtbringenden/
9 die zwar auß wichtigeren Absichten
10 bestifftet worden/ sich je mehr
11 und mehr auff-legen; Solcher gestalten
12 hat man von allerhand Authoribus,
13 die sich aber selten/ [ gleich dem
14 Boccalino, Aretino, d'Urfe, Casaneuve,
15 Mad. Scuderi, Tasso,
16 Guarini, Marini, Monte Major,
17 Spironcini, de Vega, Scarron,
18 Lohenstein / von Werder / Zesen /
19 Happel 'c. ] selbst an den Tag geben/
20 einen ohnbeschreiblichen Mist
21 solcher Schrifften/ daß wann nur so
22 vil Buͤcher in der Welt waͤren/ es
23 sattsam/ und uͤberig seyn koͤnte. Von
24 der Haupt-Persohn/ oder l'heros de
25 la Fable tragen sie mehrertheils ihren
26 Titul, und heissen; ( damit wir
27 einige darauß von mittel-alten und
28 neuen benennen. )
29 33. Alcandre, Almahide,
Seite 38
1 Alcestis, Almerinde, Amadis,
2 Arcadia, Arcturus, Arminius,
3 Arsaces, Astrea, Aurora,
4 Aramena, Assenat; Beralde,
5 Bellamira; Cardeno, Calloandro,
6 Cassandra, Comtesse de Chateau Brian,
7 Conamor, Cleopatra,
8 Clœlia; Diether, Diana,
9 Dorispillo; Eromena; Ferrando,
10 Florand, Francion, Francisco
11 und Angelica; Gottfried; Hercules,
12 Herculiscus, Hyperippe,
13 Helena, Hertzmuth u. Theonilde;
14 Ibraim, und Isabelle, Ieune Olinde;
15 Lancellot, von Leyva, Lesbia;
16 Margelone, Melusine; Octavia,
17 Octavianus, Ormund,
18 Pharamund, Picara, Protocus;
19 Quintana, Quixot; Sophonisba,
20 Spinelli; Zaide, Zendorius, Zamire
21 'c. und noch mehr bey hundert
22 Duzten/ daß man etliche neue
23 Kalender damit besezen koͤnte.
24 34. Wie man nun befindet/
25 daß die alten Heyden ihre Venus
26 vilfáltig/ je nach adven. gemahlet/
27 bald kahl/ bald bezopft/ bald
28 nackt/ bald bewaffnet 'c. also seynd
29 auch alle dise und uͤbrige Romans
Seite 39
1 underschidlich gestaltet/ Andre seyn
2 Geschichtgedichte/ da allein die Umstaͤnde
3 falsch/ wie die Cleopatra.
4 Andre Gedichtgeschichten/ da alles
5 durchauß erlogen/ wie Kalliandro:
6 Einiche behelffen sich eines Heydnischen
7 Theaters, wie Arminius. Andre
8 blehen sich mit Christlichen Aufzuͤgen/
9 wie der Hercules, versprechen
10 auch wol Schrifft-Historien/
11 wie deß Zesen Sachen; Einige tretten
12 mit Schaͤferpengeln auff/ wie die
13 Diana. Andre mit Heldenschwerteren/
14 und Reichs-Zeptern. Etliche
15 prangen mit undermischten ( wie sie
16 meynen ) hochgelehrten Zwischenreden/
17 wie Arminius, und deß Happels
18 haspleten. Andre bleiben einfaͤltig
19 auff der Spur ihrer Mistori. Einige
20 seyn bemuͤht ihre Haͤndel sehr
21 wahrscheinlich zumachen. Andre Æsopisieren/
22 bringen Riesen/ Melusinen/
23 redende Thier/ erwachne Todte/
24 Verwandlungen/ grosse Feurspeyende
25 Dracken/ welche sie Wuͤrm nennen/
26 wie die mittel-alte mehrtheils.
27 Einiche gehen ganz sacht und mit viler
28 Scheinheiligkeit/ wie die Aramena,
29 Hercules rc. Andre fallen mit der
Seite 40
1 Thuͤr zu dem Hauß hinein/ welche
2 Schand-Papeir nicht muͤssen genant
3 werden.
4 35. Disen Romanen wolte
5 jemand zur Abhoͤrung vorhabender
6 Censur beyfuͤgen die jenige Tractætgen/
7 so uͤber den Hof zu Versailles
8 von einicher Zeit außgestreut
9 worden/ als le passetemps Royal de Versailles,
10 la Vie de la Duchesse de la Valiere,
11 Amours de Mad. de Maintenon,
12 la Cour de St. Germain,
13 la Messaline d'Albion,
14 Liebesgeschicht Richelieu, und
15 Hertzogin von Elboeuf. Leben deß Pere la Chaise,
16 und noch hundert
17 dergleichen/ bey welcher Anlaß einiche
18 boͤse Zungen sagen moͤchten/ es
19 haͤtte sich Huetii Wunsch mehr als
20 wol erfuͤllet/ daß seines grossen Monarchen
21 Thaten von einer so hurtigen
22 Feder/ als bey einigen die Romantische
23 ist/ moͤchten verfaßt werden/
24 da die Nachwelt zweiffelsfrey
25 trefflich anstehen solte/ ob sie eine warhaffte
26 Histori/ oder einen hochgespanten
27 Roman lese. Dann wie er anderstwo
28 berichtet/ soll nichts vor einen
29 Roman angesehen werden/ da
Seite 41
1 die Liebe nicht das Haupt Thema
2 außmachet. Aber wir kommen widrum
3 auff unsere Romans.
4 36. Auß oberwendtem ist
5 klar/ daß die Romans ein Heydnische
6 Erfindung und in der stockdicken Finsternuß
7 der Abgoͤtterey entsprungen.
8 Auß Anlaß dero Theologie, so sothane
9 Goͤtter vorgemahlt/ daß wenn
10 sie auff Erden gewest/ man sie mit
11 Pruͤglen haͤtte todschmeissen sollen.
12 Das war deß Satans Kunst-stuͤck/
13 denn wie haͤtte er die Leuth zur Leichtfertigkeit
14 kraͤfftiger erbauen koͤnnen/
15 als durch Stifftung einer so aͤrgerlichen
16 Theologie, wie es ihm gelungen/
17 wird an seinem Ohrt erzehlet.
18 Disen Ursprung verhehlen in Warheit
19 auch die heutige Roman sehr hinlaͤssig.
20 Es wird ja Heydnisch/ und
21 Abgoͤttisch gnug lauten/ wann es zum
22 Exempel heißt: Ma tres adorable
23 Deesse, Die Gottheit Euerer
24 Persohn; Einiger Auffenthalt
25 meiner biß in den Tod verwundeten
26 Seele/ Himmlisches Angesicht/
27 eine Himmlische Hande
28 rc. dergleichen Lappereyen durch alle
29 Roman ohnzehlich majestaͤten. Dan̅
Seite 42
1 behalten die meiste neue Roman uͤberall
2 die Heydnische Larve, Heydnische
3 Goͤtter/ Opfer/ Tempel/ rc.
4 Also weiß ich nit/ ob die H. Schrift/
5 die uns auch den Rock/ der vom
6 Fleisch besudlet ist/ verbotten/ solche
7 mit Heydnischer Raserey befleckte
8 Blaͤtter emsig umzukehren erlauben
9 wird? wann einst die Fromme
10 deß Alten Testaments/ sich mit
11 Mose und den Propheten behelffen
12 koͤnnen/ und weder zur Ergetzung noch
13 zur Erbauung der Heydnischen studien
14 bedoͤrfft/ moͤchte man ins gemein
15 gedencken/ daß wir Christen /
16 nachdem das Buch der wahren Weißheit
17 durch die Evangelisten und Apostel
18 so herrlich erlaͤngert worden/ der
19 Heydnischen Gauckeleyen villeichter
20 entrathen moͤchten: zumahl die heilige
21 Schrifft den Menschen perfectionieren
22 kan.
23 37. Hier ist allerding
24 schicklich/ daß wir den Alt-Vatter
25 Hieronymum eine feine Begegnuß
26 erzehlen lassen; Diser hatte seine
27 Freundin/ Eustochium, ein vornehme
28 Roͤmische Damoiselle, under andern
29 auch abgemahnt/ von der Welt-Galanterie,
Seite 43
1 meisterlosen Wolredenheit.
2 v. d. g. Jch will dir/
3 sagt er/ hier ein eigen Ungluͤck
4 erzehlen: Demnach ich mich
5 vor vilen Jahren meiner Elteren/
6 Geschwisterten/ Verwandten/
7 ja/ welches das bitterste
8 ware/ gewohnter guter
9 Schnabelweid/ um deß Reichs
10 der Himmlen willen beraubt/
11 und gleichsam selbst castriert/
12 und mich nacher Ierusalem zu
13 einer strengen Lebens-Art begeben/
14 wuste ich alldort meiner
15 Buͤcher/ die ich zu Rom mit sonderer
16 Muͤh gesamlet/ gleichwol
17 nicht zuentrathen; da hab ich
18 meine Fastnaͤchte mit Lesung
19 deß Ciceronen zugebracht: Jch
20 habe nach den Schlafflosen
21 Naͤchten/ nach den Thraͤnen/
22 so mir die Erinnerung begangner
23 Suͤnden gleichsam auß
24 dem Hertzen herauß geprest/
25 gleichwol jrgend den Plautum
26 zur Hand genommen: Da ich
27 aber etwa zu mir selbst kommen/
28 und uͤber die Propheten
29 gerahten/ eckelte mir dero ungeschmuͤckter
Seite 44
1 Stylus. - - Wann
2 ich/ mit meinen blinden Augen
3 das Liecht nicht sahe/ dunckten
4 mich nicht die Augen Schuld
5 seyn/ sondern die Sonne selbst.
6 38. Jndem die alte
7 Schlang also ihr Spiel mit mir
8 treibet/ befallet mich um Mitfasten
9 ein hefftiges Fieber/ welches
10 ohne Auffhoͤren den sonst
11 hageren Leib also außgezehrt/
12 daß kaum Haut und Fleisch uͤbergebliben.
13 Jederman schazte
14 mich vor verlohren/ die lebliche
15 Waͤrme war bey nahem
16 durch den ganzen Leib erloschen/
17 und kaum der regende Athem
18 uͤberig/ da werd ich einsmahls
19 im Geist entzuckt/ und
20 vor den Thron deß Richters
21 geschleppet/ welcher mit solchem
22 Glanz und Majestaͤt umleuchtet
23 war/ daß ich zu Boden gesuncken/
24 und kein Aug auffheben
25 doͤrffen. Jch werde befragt/
26 wer ich waͤre: Ein Christ
27 sagt ich. Du liegst/ versazte der
28 Richter/ ein Ciceronis Juͤnger/
29 nicht aber ein Christ bist du.
Seite 45
1 Dann wo dein Schaz ist/ daselbst
2 ist auch dein Herz. Woruͤber
3 ich erstummet/ entzwischen
4 der Streichen/ die er mir zugeben
5 befohlen/ und noch mehr
6 entzwischen der brennenden
7 Gewissens-Angsten/ bey mir
8 selbst jenen Spruch uͤberworffen:
9 Wer wird dir in der Hoͤlle
10 dancken? Demnach ein Zetter-Geschrey
11 erhoben/ und under
12 den Schlaͤgen außgeruffen:
13 HErr erbarme/ erbarme dich
14 meiner Endlich seyn die Umstehende
15 dem Richter zu Fussen
16 gefallen/ und haben gebetten/
17 daß er mir in Ansehung der
18 bluͤhenden Jugend/ noch Gnad
19 und statt der Besserung ertheilte/
20 und die Straff auf erfolgendes
21 weiteres Lesen der Heydnischen
22 Buͤcher außsezte. Jch/
23 der ich in diser Angst/ wol ein
24 hoͤchers versprochen haͤtte/ fieng
25 an bey seinem Nammen mich
26 hoch zuverschwehren: HErr/
27 sagt ich/ wann ich jemahl mehr
28 weltliche Buͤcher haben oder
29 lesen werde/ so rechne es an/ als
Seite 46
1 haͤtt ich dich verlaugnet Nach
2 welchem Geluͤbd ich erlassen/
3 widrum zu mir selbst kommen/
4 [ revertor ad superos ] mit jedermans
5 Verwunderung die
6 Augen auffgethan/ und mit einem
7 solchen Thraͤnenstrom uͤberschwemt
8 worden/ daß mir
9 jederman Glauben zuwidmen
10 gezwungen worden. Und war
11 diß kein Schlaffspiel/ oder eiteler
12 Traum/ wie wir dickmahl
13 zuhegen pflegen: Jch betheure
14 bey dem Thron/ vor dem ich
15 gelegen/ bey dem Traur-uhrtheil/
16 daß ich gefoͤrchtet/ und
17 bey der Hoffnung/ an eine solche
18 Folter-Banck niemahl geschlagen
19 zu werden/ daß ich die
20 Streich auch nach der Hand
21 gefuͤhlet/ und mit solchem Eifer
22 Goͤttlichen Sachen obgelegen/
23 als ich nicht zuvor jrrdische
24 Haͤndel studiert
25 39. Dise Erzehlung Hieronymi
26 erregte etwas Kopffschuͤtlen/
27 und muͤste gestanden werden/
28 daß man sie nicht wol canonisieren
29 koͤnte. Dann Hieronymus
Seite 47
1 redet selbst wanckelsinnig davon/ und
2 da er hier sich maͤchtig verschwehrt/
3 es sey kein Traum gewest/ bejahet er
4 es doch anderstwo/ und bekennt ( daß
5 es ein Traum gewest/ ( me in somnis
6 commonitum, ne legerem
7 'c. ) Allwo auch zusehen/ daß nicht
8 jederman groß davon gehalten. Neben
9 dem hat Hieronymus seine
10 vorgebende Zusag gar nicht werckstellig
11 gemacht/ und nachgehends vil
12 Heydnische Studia tractiert. Auch
13 sind vil umstaͤnd also beschaffen/ daß sie
14 einem Rechtgesinten schwer eingehen
15 muͤsten/ sonderlich die Intercession,
16 so vor ihn geschehen/ und dero Erfolg.
17 Endlich sagen die Gelehrten
18 nicht ohnbillich/ wann Hieronymus
19 als ein Ciceronianer vapuliert/
20 seye ihm zuvil geschehen/ er
21 waͤre kein Ciceronianer gewest.
22 40. Es wurde auch gern gestanden/
23 daß die Heydnische Studien nicht
24 durchauß muͤssen verworffen werden/
25 ja so gar auch der Gedichte halber jenem
26 nach Gehoͤr ertheilt werden koͤnte/
27 der gesagt:
28 Qui utuntur vino vetere, sapientes
29 puto,
Seite 48
1 Et qui libenter veteres spectant
2 fabulas
3 Das ist:
4 Die seyn von klugem Hirn/ die
5 altem Wein/
6 Vnd altem Dichterspiel gewogen
7 seyn.
8 Sonderlich/ wenn man in selbige Studia
9 uͤberschreitet/ ( wie Seneca in deß
10 Epicuri ) nicht als ein uͤberlaͤufer/
11 sonder als ein Kundschaffter/ zu
12 recognoscieren was zu Vortheil
13 dient/ nicht seine Gedancken und beste
14 Stunden dahin zutragen. Hieronymus
15 gibt uns eine schoͤne Erin̅erung/
16 wie wir damit umspringen sollen/ nemlich
17 wie die Juden mit Außlaͤnderinnen/
18 die sie heurathen wollen/ denen sie
19 zuvor ein Glatz scheren/ die Naͤgel abnehmen/
20 und die Haar abschneiden
21 gemust: Also/ sagt er/ so wir in Heydnischen
22 Sachen etwas passabels finden/
23 verkehren wir es in Christliche
24 Lehren/ wo es aber von Abgoͤtterey/
25 Weltsachen/ Liebes-- und Buhlertandt
26 lautet/ schaͤren wir es weg/ und machen
27 einen Glatz/ rc. Auff disen Schlag
28 doͤrffte mancher einen Heydnischen
Seite 49
1 Poeten/ Historicum oder Moralisten
2 in die Hand nemmen/ an statt daß
3 er einen Frantzoͤsischen Roman list.
4 Aber es soll gleichwol hierauß erscheinen/
5 ( widerredete man ) daß der Grund
6 von dem Heydnischen und Abgoͤttischen
7 Uhrsprung hergenommen
8 nicht sonderlich verfange?
9 41. Woruͤber zur Erklaͤrung
10 geflossen/ daß ob gleich dises Argument
11 allein nicht ohnwidertreiblich/
12 so wurde es doch in Gesellschafft andrer
13 folgender valabel werden: und
14 da es gleich nicht wider die studierende
15 und gelehrte Schluͤsse/ als mit denen
16 es allezeit ein anders ist/ da sie wegen
17 reifferen Uhrtheils weniger Gefahr
18 haben/ und Heydnische Haͤndel undersuchen
19 muͤssen/ die Spracharden Allerthums Gebraͤuche
20 und andre Noͤtigkeiten
21 als auß ihrer Quell nutzlich
22 herauß zugraben rc. so spreche es doch
23 den Einfaͤltigen und der Jugend das
24 Roman lesen/ so ohne selbten
25 Zweck auß lauter Lust geschihet/ kraftig
26 ab/ sonderlich das stetige und ohnablaͤßliche/
27 da man wol die Bibel
28 kaum einmahl gruͤsset/ indem man mit
29 disen Heydnischen Gedichten gantze
Seite 50
1 Stunden conversiert: da denn wol
2 zugewahren vorfalle/ wenn ein Christ
3 Heydnische und Abgoͤttische Sachen
4 schreibt/ es vil gefaͤhrlicher/ als/ so es
5 ein Heyd thut/ von dem auch der Einfaͤltigste
6 weist/ daß er purlauter Jrrthum
7 erwarten muß: Der doch beyneben
8 Nutzbarkeiten leisten kan/ die
9 man in diser Materi vor keinem Christen
10 einzunemmen hat.
11 42. Wenigst koͤnne hierauß erhellen/
12 daß sothanes Gedicht-lesen allein
13 denen am bequemlichsten zukom̅e/
14 die Heydnische Principia haben/ und
15 und glauben koͤnnen/ das Leben der
16 Goͤtter waͤre ein stetes buhlerisches
17 Sehnen/ oder Leflen/ denen man sich
18 vergleichen doͤrffe: Oder die mit Tuͤrckischen
19 Phantasien behafft seyn/ welches
20 Volck, ein solches sauberes Paradeyß
21 traumet/ darinn dem/ der den
22 Alcoran tausendmahl durchlist eine
23 Frau versprochen wird/ deren Augen
24 so schoͤn/ als der Regenbogen. Oder
25 die endlich mit den Juden halten koͤnnen/
26 als die ihren Talmud mit einer
27 guten Anzahl Romantischer Fablen
28 verbraͤmt rc. Wenn wahr ist ( wie es
29 denn nicht fehlet ) daß S. Paulus den
Seite 51
1 Christen befihlt Hurerey und alle
2 Ohnreinigkeit/ soll under ihnen
3 nur nit genent werden/ weil es den
4 Heiligen so und nicht anderst gezime/
5 und daß Gott der Herr hart verbotten
6 anderer Goͤtter Nammen
7 zugedencken/ und sie auß dem
8 Mund hoͤren zulassen/ der auch
9 versprochen/ es soll der Nammen
10 der BAALIM ( der Heydnischen Iovium, )
11 under den seinigen nimmermehr
12 gedacht werden: so ist
13 es in Warheit fehrn/ daß die Romans
14 gestattet seyen/ als die zum meistentheil
15 nichts anders seyn/ denn wolberedte
16 Benennungen uͤppiger Buhler-Haͤndel/
17 und Widereinfuͤhrung der Heydnischen
18 Goͤtzen.
19 43. Man wolte die Authoren
20 der Romanen sonderlich entschuldigen/
21 daß ob sie gleich mit zimlich
22 freyen Discoursen gemeiniglich aufzoͤgen/
23 dennoch gravitætischen Verhaltens
24 jederzeit gewest waͤren. Jn
25 den Schrifften Courtisanen/ in dem
26 Wandel Philosophi, das Blat buhlerisch
27 das Leben keusch. rc. Also wird
28 die bekandte Aloisia Sigæa von einigen
29 sehr eingezognen Lebens geruͤhmt/
Seite 52
1 welches villeicht die Ursach warum
2 Morhof und andre glauben/ daß sie
3 nicht die Verfasserin deß bewuͤsten
4 Buchs/ gleich wie auch Meursius
5 nicht. Aber diser punct ward nicht gern
6 gestanden. Man kennt/ sagte man/
7 den Vogel an dem Gesang/ den Hafen
8 an dem Klang. Auß dem uͤberfluß
9 deß Hertzens redet der
10 Mund/ wie Christus sagt/ oder wie
11 es die vernuͤnfftige Heyden außgedruckt/
12 die Wort seyn ein Schatten
13 der Wercken/ ein Character der
14 Sitten. Ein ehrlich Gemuͤth speculiert
15 in dem Gesetz deß Herren/
16 nicht in den Buhler-possen. Wann
17 der Verstand in solchen Sachen/ als
18 im Arrest/ liget/ ist nicht zuvermuthen/
19 daß die Begirden in dem dritten Himmel
20 seyen. Die Roman-Schreiber
21 gestehen es ohnwissend selbst/ daß es
22 etwas schwer-begreifliches seye/ indem
23 sie die Nammen mehrtheils außlassen
24 oder verstecken: wie man zum Exempel
25 glaubt/ under dem Boccalino
26 stecke der Cardinal Cajetanus 'c.
27 44. Dises ward von jemanden
28 mit einer kurtzweiligen Gleichnuß erleuteret.
29 Zu Lacedæmon, sagt
Seite 53
1 er/ ward einsmahls naͤchtlicher Weil
2 der Pallas-Tempel spoliert/ und
3 hatten die Nacht-Dieben eine laͤhre
4 Flaschen ligen lassen. Als man deß
5 Schadens innen und ein Gedraͤng
6 deßwegen worden/ sonderlich aber
7 uͤber der laͤhren Flaschen vil Muthmassens
8 ergangen/ brach einer von den
9 Umstaͤnden loß/ und gabe seine Meinung
10 folgender gestalt: Jch glaube/
11 sagt er/ die Nacht-Diebe haͤtten vor
12 Zuwercksetzung dises gefaͤhrlichen Anschlags
13 den gifftigen Schirling-Safft
14 eingenommen/ und dise Flasche voll
15 starcken Wein mitgebracht/ damit
16 wenn der Anschlag wol geriethe/ sie
17 denn das Gifft damit abtreiben koͤnten/
18 und gesund mit der Beut wegzogen:
19 wenn sie aber erwitscht wurden/
20 durch deß Ledigen Gifftes Krafft vor
21 den Folter-Schmertzen hinsturben.
22 Also redete diser Kerl/ nicht wie auß
23 Muthmassung/ sonder als auß Wissenschafft/
24 kame stracks bey den nachsinnenden
25 in starcken Verdacht/ er
26 waͤre selbst unus ex illis, wie es sich
27 auch erfunden. Wenn solcher gestalt
28 die Herren Roman-Schreiber von
29 aller Buhler naturell, und allen Liebes-Poͤsseln
Seite 54
1 so weydmaͤn̅isch und magistraliter
2 zureden wissen/ wer wolte
3 nicht ohnaußnehmlich glauben. Sie
4 waͤren selbst Jaͤger in disen Waͤldern/
5 und von deß Cupido Mistgabel getroffen
6 gewest? Es heist da: Loquere,
7 ut te videam. Schwatz
8 was/ so kombts herauß/ was du vor ein
9 Kerl bist
10 45. Also muß Huetius gestehen/
11 daß die Franzosen darum in der
12 Roman-Schreiberey die beste/ weil
13 sie mit dem Frauen-volck ohngeschohene
14 Conversation trieben. Æneas Sylvius,
15 hernach Pius 4. Pabst zu
16 Rom / der einen Roman abgefast von
17 Eurialo und Lucretio, kan uns ein
18 nachdencklich Exempel seyn. Man
19 lese seine Epistlen/ da er keine Fablen/
20 sondern seine eigne Liebes-Haͤndel offt
21 beschreibet. Zum Beyspiel/ wie er
22 zu Straßburg / da er noch Bottschafter
23 gewest/ bey einer Englischen Dame
24 in der Herberg die naͤchtliche
25 Kammer-Visitation verrichtet/ indem
26 er/ obwol sie ihm nicht zusagen
27 wollen/ den Thuͤr-Rigel unvorgestossen
28 zulassen/ dennoch denselben also
29 gefunden rc. Einst sagt er ohnverholen/
Seite 55
1 Mihi hercule parum meriti
2 est in castitate, das ist/ mit Keuschheit
3 mach ich versicheret wunderschlechte
4 Verdienste: da heists
5 dann: Crimine ex uno disce omnes:
6 Jtem Unum si noveris ambos
7 noveris:
8 Wer eines kan gewahren/
9 Hat andre schon erfahren.
10 Deß Ovidii Exempel ist bekanter/
11 als daß es außfuͤhrens bedoͤrffe.
12 46. Bey mir waltet kein
13 Zweiffel/ es haben sehr vil der Roman-Schreiber
14 under frembden Larven
15 ihre eigne Liebes-Spruͤng außgesetzt/
16 um mit Widerhohlung derselben
17 sich um etwas zubelustigen. Der Author
18 der Aramena mit seinen hin und
19 wider versteckten Weiber-Nammen/
20 Catharina, Regina, Elisabetha
21 'c. mag wissen ob dises wahr ist? Aber
22 es ist kein neue Manier/ denn Ovidius
23 wuste es schon/ nicht allein selbst
24 zugebrauchen/ sondern er macht auch
25 den Paris der Helena zuschreiben/
26 daß da er under dem Gast-Titul als
27 ein Galan bey ihro gewest/ habe er offt
28 uͤber Tisch eine Liebes-Histori erzehlt/
Seite 56
1 und seine eigne Passionen darinn gemeint;
2 die Wort seyn dise:
3 Ah quoties aliquem narravi potus
4 amorem,
5 Ad vultus referens singula verba
6 tuos
7 Indiciumque mei ficto sub nomine
8 feci,
9 Ille ego, si nescis, verus amator
10 eram.
11 So soll mirs mancher gemacht haben.
12 47. Hier wurde nicht geleugnet/
13 daß solche Authores manchmal
14 die uͤppigkeiten verdammen/ und uͤbel
15 außschlágig vormahlen/ worauß man
16 dann ihre ernste Meinung erkennen
17 soll. Allein/ wurde gesagt/ es sey ein
18 falscher Wahn dabey/ daß das ander
19 alles keusch/ was sie nicht schelten/ ja
20 loben. davon villeicht unden. Und
21 auch mit jennen moͤchte es ihnen nehrlich
22 voͤlliger ernst seyn/ denn sonst wurden
23 sie durch so specialische Erzehlungen
24 den Weg nicht darzu pflastern/
25 und gleichsam mit Wind-Liechtern bestecken.
26 Sie wurden in Beschreibung
27 verliebter Passionen nicht so
28 wolberedt und zuckersuͤß seyn wollen.
29 Fuͤrwahr sie machen es offt so lang
Seite 57
1 und beweglich/ daß man wol abnim̅et/
2 es kitzle die liebe Herren selbst/ und thu
3 ihnen wol davon zureden/ wie dort der
4 Poet sagt:
5 Possum absoluté dicere,
6 Sed dulciús circum loquar.
7 Diuq́ue fando perfruar
8 Das ist:
9 Jch koͤnt in einem Zungenschwang
10
11 Was ich will sagen/ sagen:
12 Doch mach ich lieber etwas
13 lang/
14 Es gibt mir suͤß behagen.
15 Daß man einen keusch glaube/ muͤssen
16 alle seine Reden keusch lauten/ daß
17 man ihn anderst besorg/ ist genug/ wen̅
18 er sich mehrmahl vergist.
19 48. Es geben gleichwol
20 keine Roman-Dichter so kraͤfftige
21 Sittenlehren/ und Schreck-erin̅erungen
22 wider die Unkeuschheit/ und andre
23 Laster/ als etwa ein Pythagoras, socrates,
24 Plato, Solon, Diogenes,
25 Xenocrates, Demosthenes, Horatius,
26 Ovidius, der sonderbahr damit
27 gepocht/ daß er von den Hilffmittlen
28 wider die Liebe geschriben: aber wer
Seite 58
1 ihnen drum getraut hette/ wurde uͤbel
2 geirret haben. Pythagoras ware mit
3 der Theano; Socrates mit der Aspasia
4 uͤbel beruͤchtiget; Solon war ein
5 offentlicher Hurer. Plato wollt die
6 Gemeinschafft der Weiber eingefuͤhrt
7 wissen. Diogenes truge heimlich der
8 Lais Bildnuß am Halse. Xenocrates
9 darff sich der Thais an die Seite
10 legen. Demosthenes marcktet mit
11 jenner um eine Nacht/ und hette sich
12 ein ansehenlich Stuͤck Geld nicht dauren
13 lassen. Euclides, under dem
14 Schein in Socratis Nacht-Schul zuwandern/
15 ist offt auff der graden straß
16 nach dem Huren-Hauß ertappt worden.
17 Horatius hat sich mit seinen
18 Ohnreinigkeiten ins Grab gebracht.
19 Ovidius in das Elend/ weil er der
20 Keiserlichen Princessin nachgestellt/
21 villeicht auch genossen. Die Exempel
22 seyn odios, sonst koͤnten wir weit
23 andre beysetzen. Aber obgesetzte ernsthaffte
24 Stirnen discreditieren die heutige
25 Courtisanen kraͤfftig.
26 49. Die Romans, ( also wurde
27 der Discours verfehrneret ) sie
28 seyen jetzt Hirten-- Helden_ oder Stats-Geschichte/
29 handeln hauptsaͤchlich und
Seite 59
1 meistentheils von der Liebe und Buhlerey.
2 Nehmen ihnen ein Haupt-Par
3 vor/ daß nach vilen Ebentheuren und
4 anderwertigen Nachstellungen/ endlich
5 zusamen gerathet. Da gibet es
6 vil Episodia, oder Zwischen-spiele.
7 Die in einander stecken wie die Tunicæ
8 einer Zwibel/ oder die Ptolemaischen
9 Sphæræ, oder die Pfefferhaͤusel
10 eines Marck-Schreyers/ oder die
11 Raͤder in einem Uhrwerck/ biß endlich
12 eins die Zeiger-stangen/ oder das
13 Schlagwerck erwitscht. Hiebey haben
14 sie einige sonderbahre Regeln/ daß
15 der Leser bey dem Anfang mitten in die
16 Geschicht hinein gefuͤhrt werde/ daß
17 die verworne Erzehlungen sich selbst
18 nach und nach ohne Machinen auffloͤsen
19 sollen/ nec Deus intersit, nisi
20 dignus vindice nodus inciderit
21 'c. Davon meines Vermeinens
22 Mad. Scudery und andre geschriben.
23 50. Dises ist der Zettel; der Eintrag
24 ist bey den meisten von geringer Verschiedenheit/
25 dann ins gemein werden
26 beschriben Schoͤnheiten/ Luͤsterne
27 Brunsten/ Sehnungen/ Eifersuchten/
28 Rivalitæten oder ( teutsch mit ihnen
29 zureden/ ) Samthoffnungen/ Liebes-Liste/
Seite 60
1 Nacht-- und Hinder-Thuͤr-- oder
2 Fenster-Visiten/ Kuͤsse/ Umbarmungen/
3 Liebes-Ohnmachten/ Butzwerk/
4 Hahnrehen/ Buhler-Traͤume/ Gaͤrten/
5 Pallaͤst/ Lust-Wálder/ Schildereyen/
6 Goͤtzen-Tempel/ Musicen/
7 Daͤntze/ Schau-- und Ritter-Spiele/
8 Entfuͤhrunge̅/ Jrr-reisen/ Verzweifflungen/
9 begonnene oder vollbrachte
10 Selbstmoͤrd/ Zweykaͤmpff/ See-Stuͤrm/
11 Gefangenschafften/ Kriege/
12 Blutbaͤder/ Verkleidungen/ Helden/
13 Heldinnen/ Wahrsagereyen/ Beylager/
14 Kroͤnungen/ Feste/ Triumphe/
15 rc. dises alles berichten die/ so dise Buͤcher
16 fleissig gelesen.
17 51. Wenn man nun alle dise sachen
18 bey dem Liecht besihet/ entstehet ein
19 und anders billiches Bedencken/ daß
20 man von den Romanen ein schlecht
21 Uhrtheil zufellen gedrungen wird.
22 Alles fliest kurtzlich zusamen/ so man
23 das andre Aug wirfft auff die Apostolische
24 Vermahnung: Jm uͤbrigen/
25 ihr Bruͤder/ was wahrhafft/
26 was ehrbar/ was gerecht/ was
27 rein/ was lieblich ist/ was wol
28 lautet/ ist etwan ein Tugend/ ist
29 etwa ein Lob/ dem dencket nach.
Seite 61
1 Denn es ist versichert in disem anmuͤtigen
2 Zuruff kein Wort/ daß nicht ein
3 richtiges Oppositum unsrer Romanen
4 sey. An statt der Apostel die Warheit
5 recommendiert/ so seyn die Roman
6 ein lauterer Lugen-Kram/ sie sagen
7 der habe eine̅ Riesen umgebracht/
8 der doch selbst nie gelebt. An statt Paulus
9 die Ehrbarkeit beliebet/ beschreiben
10 dise die Bruͤst der Weiber. An statt er
11 gerecht zuseyn befihlet/ loben dise die
12 Moͤrder und Zweykaͤmpffer. An statt
13 er Reinigkeit ( Keuschheit ) rathet/
14 seyn dise mit Buhler-Sachen erfuͤllet.
15 An statt er lieblich oder liebreich seyn
16 heist/ lehren dise zum eyfersuͤchtigen
17 Wurm werde̅. An statt er insinuiert/
18 was wol lautet/ lehren die zu einem
19 Sack voll Aschen sagen: O du vollkomneste
20 Tugend-Goͤttin O
21 du uͤber-marcipanter Engel
22 An statt ihm Tugend gefellt/ beschreiben
23 sie dise als eine Thoͤrin. An statt
24 Paulus zu loblichen Dingen anfrischen
25 will/ lehren die Romans lefflen/
26 und dantzen/ und zu den Hinderthuͤrl
27 einschlieffen/ und der Weiber Fußlumpen
28 werden. Da kan man die
29 Rechnung leicht schliessen/ wenn/ nach
Seite 62
1 dem Sprichwort die Gedancken so vil
2 wehrt seyn/ als die Materi darauff sie
3 fallen/ daß es um das Roman-lesen
4 ein elend Thun seyn wird.
5 52. Weil man nun ein und anders
6 wolte besser erwiesen wissen/ als
7 wurd erstlich geredet von dem greuͤlichen
8 Zeit-raub/ den dise Buͤcher begiengen:
9 Es waͤre gewiß/ daß mancher
10 Roman-Schreiber den besten
11 Theil seines ganzen Lebens darmit verderbt
12 hette/ wie die beyde Uhrheber deß
13 Amadises / der von Buchholtz / von
14 Lohenstein / so uͤber seinem Arminio
15 verstorben/ Talander, Happel / und
16 andre. Auff dise ( ward vermeldet )
17 kan man applicieren/ was Seneca
18 von dem Didymo nachdencklich
19 schreibt: Man hat/ sagt er/ nicht
20 raum das noͤthige zuerlehrnen/
21 weil man das unnoͤthige erlehrnt.
22 Didymus Grammaticus
23 hat 4000. Buͤcher geschriben.
24 Elend waͤre er zunennen/ wenn
25 er allein, so vil unnoͤthiges gelesen
26 hette: Jn disen Buͤcher wird
27 disputiert von der wahrhafften
28 Mutter deß Ænea? Ob Anacreon
29 mit Trincken oder Leflen
Seite 63
1 mehr Excess begangen: Ob die
2 Sappho offentlichen Gewerb getriben:
3 und andere Haͤndel/ die/
4 wer sie gleichwol wuste/ vil lieber
5 entlehrnen solte. I nunc'&
6 longam esse vitam nega: wie unrecht
7 thut man dann/ wer ab der
8 Lebenskuͤrtze sich beschwehret?
9 bißher Seneca.
10 53. Wie nun die grosse Wespen/
11 wo ihnen die Fluͤgel abgerissen werden/
12 auch andern dieselbe abfressen/ also
13 verpfulen die Roman-Schreiber
14 auch dem Leser seine gute Zeit schandlich.
15 Denn solche Buͤcher sein also
16 geschoben/ daß man sie nicht hin und
17 her lesen/ sonder das gantze Drama in
18 seiner Ordnung durchlauffen muß: sie
19 seyn eingerichtet nach deß Menschen
20 meisterlosen/ Curieusen Appetit/ hat
21 einer angefangen ( ich rede von den
22 Einfaͤltigeren ) so kriegt er bald lange
23 Zaͤhne/ wird als in einem Netz verstrickt/
24 daß er alles versaumt und biß
25 zu End fortfahret. So bekennt Seneca,
26 daß es jhm ergangen mit einem
27 villeicht nutzlicheren Buch. Er habe
28 es auffgeschlagen/ nur einige Blick darein zuthun/
29 allein die lustige Materi
Seite 64
1 habe ihn also fortgeschleppet: daß er
2 nicht underziehen koͤnnen; Zeit/ Hunger/
3 Durst/ und Witterung hetten
4 ihm davon geruffen/ aber es habe außgelesen
5 seyn muͤssen rc. So ergeht es
6 allen Roman-Lesern. Ein Wind-Spiel/
7 daß auff eine Hasenspur gerathen/
8 ist vil leichter zuruck zubringen/
9 als ein Feuchtnas ab seinem Roman.
10 54. Jch kenne einen/ ( so underredte
11 jemand ) der mir sehr nahe verwandt
12 ist; Er ist in seinen Schuler-Jahren
13 an den Herculem angelauffen/
14 und ist daruͤber so vernarret worden/
15 daß er die zwey abscheuliche Tomos
16 biß an den dritten Morgen zu
17 End gebracht: Nicht hat er mit jenem
18 emsigen Philosopho seine Diener gefragt
19 ob er gespiesen? Nicht mit
20 Bernhardo in der hefftigen Verzuckung
21 einen Oehl-- vor Weinkrug erwitscht/
22 und einen zimlichen Zug darauß
23 gethan; sonder es war ihm um
24 Speiß und Tranck in diser Zeit gar
25 nichts/ er zoͤrnte uͤber die so ihm dazu
26 geruffen/ und wie einst Themistoclem
27 die Sieges-Zeichen deß Milthiadis
28 nicht wollen schlaffen lassen/
29 also vergaß er uͤber disen eitelen Possen
30 deß Schlaffs gaͤntzlich.
Seite 65
1 55. Also wird neben Gesundheit
2 und Gesicht/ die edle Zeit mit disen
3 Possen schaͤndlich verschleppet/ daß
4 man weit besser thaͤte/ nach dem Rath
5 jennes Philosophi, wenn man davor
6 stein auff der strassen auffhobe/ und per
7 Spass hin und wider schmisse. Jch
8 ( sagte einer ) moͤchte jedem solchem
9 Zeitverschwender/ und unabtreiblichen
10 Leser der Buhlbuͤcher eine̅ Schrecker
11 goͤnnen/ wie Thomas Morus
12 jennner weltfelligen Dame gewest:
13 Er sahe sie eine gantze stund vor dem
14 Spiegel stehen/ sich auffbutzen/ den
15 Leib einzwengen/ die Haare kreußlen/
16 und sagte: Wenn dir Gott nicht
17 die Hoͤlle vor deine Muͤh widmet/
18 so geschihet dir ohnrecht.
19 Das ware scharff/ aber nutzlich/ wenn
20 jenne dadurch die Zeit besser anlegen
21 gelehrnt. Gar recht hatte jenner
22 Partische Feldherr Surenasdiser/
23 da er die Roͤmer geschlagen/ und under
24 ihrer Bagage auch deß obgedachten
25 Sisennæ Romanische Fablen gefunden/
26 war auff sie sehr ohngehalten/ daß
27 sie auch in der Campanien dergleichen
28 Thalpossen nicht entbehren koͤnten.
29 Augustinus last sich gantz uͤbel
Seite 66
1 drob werden/ da er betrachtet/ wie er
2 seine Jugend mit Lesung unnuͤtzer
3 Buͤcher verschlissen. Wolte Gott/
4 sagt er/ daß ich nutzliche Schrifften
5 davor gelesen haͤtte/ an statt
6 man mich in solchen Sachen underwisen/
7 die von dem donnerenden
8 und zugleich lefflenden
9 Iove gehandelt rc.
10 56. Wie vil heylsamen Nutzes und
11 wahrer Ergoͤtzung koͤnte in so vil koͤstlicher
12 Zeit zu stand bringen/ wer an statt
13 der eitelen Luͤgen-Possen mit David
14 das Gesetz deß Herren seine Lieder sein
15 liesse? Wer mit jennem Morischen
16 Herren lieber einen Propheten als einen
17 Roman zum Passetemps erkieste?
18 oder wenigst mit Ahasuero
19 lieber mit warhafften Historien ( als
20 Schau-Buͤrgen der wundersammen
21 Providenz Gottes ) die schlafflose
22 Naͤcht kurtzen wolte? weist man nicht
23 die Koͤstlichkeit der Zeit? heist uns
24 nicht Paulus selbige erkauffen? haben
25 wir der Traumen Nachts zuwenig/
26 daß wir auch wachend ihnen Gehoͤr
27 verleyhen solten? lauffen unsere Tage/
28 in denen wir so vil wichtiges zuthun
29 haben/ nicht sonst Sporren-streichs
30 dahin? Jch meine ja
Seite 67
11 57. Wider dises bedencken
12 wurde nechst andrem eingestreuwet/
13 daß/ wenn diser Grund das Roman-lesen
14 verdamte/ muͤste auch das Jagen/
15 Music, allerhand Spiels-arden/
16 Historien lesen/ Verse machen/ und
17 andre Ergetzungen halßbruͤchig seyn/
18 als die nicht in Augenblicken/ ( in instanti )
19 sonder mit aufwendender Zeit
20 geschehen, Dawider wurde zur Antwort
21 erwehnet/ daß wann erzehlte
22 Sachen/ so vil Stunden abrauben/
23 als das Roman-lesen/ man ihnen das
24 Wort eben so wenig reden wolle. Ueber
25 dises waͤre ein maͤchtiger Underscheid
26 zwischen. Es finde sich bey allen
27 disen Stuͤcken noch etwas unverwerflicher
28 Nutzbarkeit: wenn niemand
29 jagen solte/ wurden die wilden
Seite 68
1 Thier uͤberhand nehmen/ und die
2 Menschen uͤbermeistern. Dises waͤre
3 von den Romanen nicht zubesorgen/
4 wenn sie niemand lesen wurde. Es
5 koͤnte kein Ohnheil drauß entstehen.
6 Das Jagen diene zur Gesundheit deß
7 Leibes/ occupiere die edle Geister
8 nicht/ man koͤnne dabey seinen wichtigen
9 Gedancken sehr komlich obligen;
10 wie Doctor Luther ein fein Exempel
11 erzehlt/ daß er auff einer Jagd mitgewest/
12 und bey Anlaß der eroberten
13 Haͤßgen/ und Pernisen allegorisiert/
14 wie der Teuffel als ein abgefaͤumter
15 Jaͤger durch seine Spuͤr-Huͤnd/ die
16 Sectierer/ also die Einfeltigen auffzutreiben
17 und abzufangen pflege rc. aber
18 wie gesagt/ steht hierin die uͤbermaß
19 nicht zuentschuldigen. Es ruͤhmts
20 niemand daß mancher NIMBROD den
21 Armen nimt das Brod und gibet
22 es den Hunden: Es heists niemand
23 gut/ das mancher Herr sich auff Jagd
24 taͤglich heiser schreyen soll/ der kaum
25 reden kan/ wenn einem armen Underthanen
26 Bescheid zugeben ist.
27 58. Was die Music belangt/
28 hat sie ( so meldete man foͤrders ) ohnfehlbare
29 Nußbarkeiten Gemuͤth und
Seite 69
1 Gebluͤt zuerfrischen/ die tumultierende
2 Affecten als eine Retraitts-Posaune
3 abzufuͤhren/ andren loblichen
4 Muth zumachen. Jst ein Werckzeug
5 deß Goͤttlichen Lobes/ ein Vorbild der
6 himmlischen Freuden: weiland war
7 sie auch eine Pfleg-Amme deß Gedechtnuß/
8 und Erhalterin der Wissenschafften.
9
10 Optima Musarum est, reliquisque idirco
11 negatum
12 Artibus, á Musis, Musica, nomen
13 habet.
14 Der Music steht allein der Musen
15 Nammen an/
16 Weil in der Kuͤnsten-Zunfft ihr
17 keine gleichen kan.
18 Und wenn man auch den Ergoͤtzlichkeits-Spiele̅/
19 oder Kurtzweile̅ in seiner
20 Maß hierunder statt lassen wolte/ waͤre
21 zusagen/ daß sie zu Duͤnnerung der
22 melancholischen Daͤmpffen/ Erfrischung
23 der ermatteten Geister/ schaͤrfung
24 deß Verstands/ Exercierung
25 und Abmaͤssigung der unbaͤndigen Affecten
26 etwas beyleisteten. Was das
27 Historien-lesen belangt/ kombt mir
28 dessen Obwand zu Verthaidigung der
29 Romanen vor/ als wan̅ einer Schaf-Lorbeer/
Seite 70
1 und Muscaten zusamen rechnen
2 wolte. Mich dunckt/ so man die
3 Historien lesen kan und muß/ so folge
4 schier drauß/ daß man die Romans
5 als ihr Oppositum zu Pfefferheuͤßlen/
6 und Dintenstepffer zumachen hat.
7 Historienlesen gebieret schoͤne Wissenschafft/
8 pflantzet andaͤchtige Gedancken
9 uͤber der heiligen Providenz
10 deß Hoͤchsten/ gibet noͤthige Conduite,
11 und Lebenskuͤnst. rc. was endlich
12 das Vers-machen belangt/ hat man
13 sich zuberichten/ daß dises Hirn und
14 Gedaͤchtnuß schaͤrfet/ die Sprachen
15 bauet/ und eine Schaufel ist manchen
16 guten Einfahl herauß zugraben. Horatius
17 nennt es gleichwol Mediocre
18 vitium.
19 59. So ist es ( auff dise weiß
20 wandte man den Discurs um ) mit
21 dem Roman-lesen sauber nicht beschaffen.
22 Denn die Romans setzen
23 das Gemuͤth mit ihren gemachen Revolutionen/
24 freyen Vorstellungen/
25 feurigen Außdruckungen/ und andren
26 bunden Haͤndeln in Sehnen/ Unruh/
27 Luͤsternheit und Brunst/ nehmen den
28 Kopff gantz als in Arrest/ setzen den
29 Menschen in ein Schwitzbad der Passionen/
Seite 71
1 verderben folgens auch die
2 Gesundheit/ machen Melancholicos
3 und Duckmauser/ der Appetit
4 vergeth/ der Schlaff wird verhinderet
5 und walzt man sich im Beth herum/
6 als wie die Thuͤr im Angel/
7 den zu andrem tuͤchtig gewesten Geist
8 machen sie traͤg und uͤberdruͤssig/ betauben
9 und belaͤstigen das Gedechtnuß
10 ( indem solche Sachen allzeit eh
11 hafften/ als etwas fruchtbares ) verhinderen
12 Geschaͤfft und studiern/ und
13 endlich an statt Wissenschafft beyzubringen
14 scharren sie etwas zusamen/
15 das schlimmer ist als jede Ohnwissenheit/
16 welches alles/ das letste sonderbar
17 ein grosser Verfechter der Romanen
18 nachgibet. Es wird aber ein und
19 anders in dem Verfolg deß Discourses
20 gruͤndlicher erwisen werden.
21 60. Bißher wurden die Roman,
22 als Heydnischer Tand/ und Zeitverderber
23 verfolget. Forthin muͤsten sie
24 sich auch als Luͤgen und Fablen betrachten
25 lassen. Denn ( raisoniert
26 man ) ist das ohne Zweiffel ein gar
27 wichtig bedencken/ daß wer Romans
28 list/ der list Luͤgen. Anders kan er darauß
29 nicht machen/ da wird nun ein
Seite 72
1 schlechtes Contentement herauß kommen/
2 wann ich die Gnad habe bey
3 jeder Romantischen Erzehlung zugedencken:
4 Ey da was lese ich
5 hier: woruͤber verwundere/ lache/
6 traure/ seufftze ich: uͤber
7 eines andren Traum und Phantasien
8 uͤber Sachen/ die niemahl
9 in der Welt geschehen/ und mich
10 zum Thoren zumachen erdacht
11 seyn warum laß ich mir einen
12 andren traumen/ und traume
13 mir nicht francó selbst: rc. Also
14 solte billich alles Contentement
15 manglen/ nicht aber eine vernuͤnfftige
16 Beschaͤmung. Denn seyn uns nicht die
17 Luͤgen verbotten/ und zwar nicht eben
18 die wir thun/ sonder auch DIE WIR
19 LIEB HABEN? Seyn uns nicht
20 die Fablen mißrathen/ und zwar mit
21 Nammen die ohngeistliche/ Altvettelsche/
22 unendliche Fablen/ wie sie die
23 Romans seyn?
24 61. Allein daran denckt niemand/
25 wenn er sie so begirlich liset:
26 Jch kan nicht anderst befinden und gewahren/
27 als das man alles wahr glaubet.
28 Man wird jennen Narren gleich/
29 der da er ein Hirschen-Geweyh an der
Seite 73
1 Wand gesehen festiglich geglaubt/ es
2 stecket ein wahrer Hirsch darhinder.
3 Man macht sich im Kopff vil imaginierte
4 Umstaͤnd/ und Gemaͤhld/ wie
5 alles ist hergegangen. Die Roman-Schreiber
6 betriegen uns/ wie die
7 schlechte Mahler und Wand-Dorcker/
8 welche Schloͤsser/ Boͤsche/ See/
9 Bruͤcken/ Gaͤrten rc. umher schmieren/
10 die nirgend seyn Doch bildens
11 ihnen die Einfeltigen starck ein/ Ha/
12 sagen sie/ das ist ein lustiger Ohrt/ ein
13 zierliches Schloß rc. wann wir die
14 Romans lesen/ meinen wir/ wir sehen
15 gleichsam denen die Lippen gehen/ die
16 uns da reden sollen/ und moͤchte wol
17 bey manchem dahin kommen/ daß er
18 auß starck-gefaster Imagination
19 lange Zeit hernach schwehren solte/
20 er hette ein und anders/ weiß nicht wo/
21 mit Augen gesehen. Schluͤßlich man
22 wird vil narrischer/ als jennes alte
23 hirnschellige Weib/ Acco, das mit ihrer
24 Bildnuß in dem Spiegel/ als mit
25 einer Muhmen reden/ und conversiren
26 wollen.
27 62. Es seyn einige Romans,
28 die den Zettel auß wahrhafften Historien
29 entlehnen/ wie der Arminius,
Seite 74
1 Cleopatra, Statira 'c. aber indem
2 sie ihn mit erlognen Umstaͤnden durchweben/
3 oder auch wahrhaffte Historien
4 under alten Nammen/ mit falschen
5 Circumstanzen beymengen/ wie der
6 Arminius, werden sie vil schlimmer/
7 als die vorigen/ denn sie machen die
8 wahrhaffte Geschichten zu Luͤgen/ sie
9 liegen nicht allein/ sonder affrontieren
10 auch hoͤchlich die unschuldige
11 Wahrheit/ und indem sie mit ihrem
12 Luͤgenschmier dieselbige verstellen/
13 und/ was einem nachsinnenden Gemuͤth/
14 das aͤrgste und unerleidlichste
15 ist/ faͤlschen und erstuͤcken sie auß eignem
16 Stoͤr-Kopff die Eventus und
17 Verláuffe/ die der Hoͤchste der in dem
18 Himmel ist/ und schaffet was Er
19 will/ auß geheimem Rath-Schluß/
20 zu seiner Ehr/ auff seine Weise geordnet.
21 Diß hat villeicht jenner gelehrte
22 Mann etwas gewahret/ da er sehr
23 uͤbel auff dise Gattung Roman-Schreiber
24 spricht/ weil hierdurch/
25 sagt er/ mit der Zeit verursachet
26 werden doͤrffte/ daß man nicht
27 mehr uhrteile̅ koͤnte/ was wahr
28 oder falsch ist.
29 63. Da lest sich nun abermahl
Seite 75
1 sagen/ wenn die Gedancken so
2 vil wehrt seyn/ als die Materi darauff
3 sie fallen/ was ist denn das lesen der
4 Roman-Luͤgen vor ein ding? wer
5 etwa ein Heyd ist/ und dencken kan die
6 Luͤgen seyen zu weil so nutzlich und
7 brauchbar/ als die Nießwurtz; oder einen
8 Alcoran, Vedam, Thalmud,
9 und dergleichen fieberische Traumereyen
10 zum Glaubens-Principio hat/
11 oder mit manchem Lutheraner befind
12 Schimpf-- und Glimpf-Luͤgen/ haben
13 nicht vil zubedeuten; oder mit den
14 Roͤmisch-Catholischen dencken kan er
15 muͤste doch den Legenden deferieren/
16 die nach eigner Bekandnuß lang
17 nicht so wahrhafft auffgesetzt/ als von
18 Laërtio die Begegnussen der Philosophorum,
19 und sonderlich zuweil
20 Romantisch genug außsehen/ wie also
21 in St. Joͤrgen Legend die Heydnische
22 Erzehlung von Perseo und Andromache
23 versteckt ist rc. dem koͤnte das
24 Roman-lesen nach etlicher massen
25 hingehen; aber wie es dem zustehen
26 koͤnne/ der Profession machen/ daß
27 er auß Warheit seye/ Wahrheit/
28 Weißheit/ und Kunst suchen
29 und kauffen soll/ last sich
30 einmahl nicht begreiffen.
Seite 76
1 64. Kurtz zusagen/ ein Fabel/
2 wenn man sie lesen muß/ soll nicht allein
3 keusch seyn/ sondern auch ohnlangbare
4 Nutzbarkeiten und Gemuͤths-Verbesserung
5 mitbringen/ sonst ist letz
6 gethan. Ja wenn sie schon eben besagte
7 Eigenschafft hat/ darff sie anderst/
8 als zu einem seltenen Neben-Studio
9 nicht gebraucht werden. Es
10 ist keiner under den Roman-leseren
11 der leicht verdaͤuen wurde/ wenn man
12 ihm den Titel eines alberen Kinds
13 widmen wurde. Nun komt dises Studium
14 allein Kinderen zu/ die man etwa
15 mit Maͤhrlein/ und Clauß-Legenden
16 speisen und underhalten muß.
17 Doch meint Plutarchus, es hette
18 Plato den Pfleg-muͤtteren/ sehr weißlich
19 befohlen/ daß sie auch den jungen
20 Kinderen keine naͤrrische Fablen beybringen.
21 Ein Bedencken hierwider
22 ware/ daß gleichwol von den Gelehrten
23 selbst das Lesen der Poeten fleissig
24 getriben/ und hoͤchlich recommandiert
25 wurde. Nun waͤren die Sachen
26 der Poeten mehrtheil Fablen.
27 Plautus sage:
28 Poëta tabulas cum cepit sibi,
29 Quærit, id quod nusquam est gentium,
30 reperit tamen;
Seite 77
1 Das ist:
2 Wenn ein Poet sich uͤbersetze/
3 suche er das/ was nirgendwo
4 ist/ und wisse es doch zufinde̅. Ja
5 die jennige under den Poeten/ so wahrhaffte
6 Historien außfuͤhren/ oder sie
7 wenigst nicht in Fablen wandlen/ wie
8 Lucanus, Silius'&. wurden auß der
9 Zahl außgemustert und verlacht.
10 Under den Poeten waͤren einige so wol
11 der Materi/ als der Einrichtung halber
12 perfecte Romans, wie Homerus,
13 Virgilius und andre.
14 65. Daruͤber wurde nun underschidlich
15 discouriert/ und erstlich
16 erwehnt/ daß den Poeten an ernsthaften
17 Verdam̅eren auch nicht mangle;
18 also habe Plato die Poeten/ mit Nammen
19 Homerum um seiner Fablen
20 willen/ auß seiner projectierten vollkomnen
21 und gluͤckseeligen Gemein
22 außbannisiert. Augustinus nicht
23 weniger. Socrates habe schlauw erinnert/
24 wem sein guter Leymuth lieb sey/
25 sol sich vorsehen/ daß er sich mit den
26 Poëten nicht zu gemein mache. Die
27 Canones sagen außdruͤcklich: Prohibetur
28 Christianis figmenta legere
29 Poëtarum, Den Christen
Seite 78
1 sey verbotten der Poeten Fablen
2 zulesen. v. s. f. Es sehen aber
3 dise ( so wurde anderwerts erlaͤuteret )
4 auf den Mißbrauch/ reden von der Jugend/
5 und den einfeltigen ( [? ]
6 ,sage Plato ) haben ganz andre
7 Hypotheses, wie sonderlich Plato,
8 der nichts der so beschaffnen Welt
9 einrede/ sondern in allem von ganz andrem
10 und villeicht nicht zuhoffendem
11 Zustand der Sachen rede: Sonst
12 man ihnen nicht beytretten koͤnte. Den̅
13 auch Paulus die Heidnische Poeten
14 gelesen/ wie seine stattliche Anzuͤge erweisen.
15 Man wolle selbst das lesen der
16 Poeten hoͤchlich beliebt haben. Davon
17 Plutarchus einen gelehrten Tractat
18 geschriben. Dem Petronio ist man
19 gar nicht zuwider/ da er rathet
20 Det primos versibus annos,
21 Mæonúmque bibat felici pectore
22 fontem 'c.
23 zuwuͤnschen waͤre/ daß es nur mehr geschehe/
24 alß es geschihet/ es wurde weder
25 ohnnuͤzlich noch ohnruͤhmlich stehen.
26 Es seyen aber vil andre Ursachen/
27 warum obbesagter Grund wider die
28 Romans, dem lesen der Poeten und
29 Mythosophiæ veteris ins gemein
Seite 79
1 nichts nachtheiliges schliessen koͤnne.
2 66 Es sage niemand verstándiger/
3 daß das lesen der Poete̅/ oder Sylbenkoͤnigen/
4 ( wie sie Diogenes genennt/
5 weil sie die Sylben und Wort
6 bald da bald dorthin commandieren/
7 wie ein Koͤnig oder General die Soldaten )
8 und alter Fablen/ allein um Lust
9 und Vernuͤgung willen angestellt
10 werden muͤsse/ wie hergegen die Romans
11 in keiner andren Ursach gelesen
12 werden; sonder sie muͤssen vilmehr mit
13 Eckel und Verdruß auß Noth gelesen
14 werden: Die Heidnische Fablen
15 muͤsse man besuchen/ wie Weiland Cato
16 die Floralia, der hinein getretten/
17 damit er wider herauß tretten koͤnte.
18 Man waͤre benoͤhtigt sie zulesen/ damit
19 man so wol Heiden alß Christen darauß
20 urgieren koͤnne/ wie sie also Paulus
21 gelesen. Und wie ein Medicus
22 damit er so wol seiner eignen Wissenschafft/
23 alß auch andrer Wolstand aufhelffe/
24 den Außrath des Leibs besichtiget
25 ja offt schmecket/ und kostet. Dises
26 aber haͤtte bey dem Roman lesen weder
27 Statt noch Brauch.
28 67. Daneben muͤste auß
29 jennen Mistlachen ein und anders zur
Seite 80
1 Wissenschafft des Alterthums/ und
2 der Sprachquellen/ ja zu Facilitierung
3 des Schrifft-Verstandes selbst
4 noͤthiges herauß geklaubet werden/
5 dergleichen die Romans, sonderlich
6 die heutige nichts geben koͤnten/ sonder
7 waͤren einfeltig Fablen und Luͤgen.
8 Auß eben besagter Ursach wurde auch
9 das lesen der Poeten und anderer
10 Heidnischen Fablen keinen einfeltigen/
11 jungen und ohngelehrten ( welche nach
12 Platonis erinneren/ nicht undersonderen
13 koͤnten/ was darinn wahr oder
14 falsch/ eigentlich oder verbluͤmt geredet
15 waͤre ) sondern allein den gelehrten/
16 die geuͤbte Sinne haben/
17 zum Underscheid des guten und
18 boͤsen/ alles undersuchen/ und
19 das gute behalten koͤnnen/ und
20 also keine Gefahr haben verfuͤhrt zuwerden/
21 gestanden. Ja man wolle solchen
22 nicht versagen auch die alte Romans,
23 alß Apulejum, Heliodorum,
24 alß die ihnen bedeuteter massen
25 etwas Liechts geben koͤnten/ aufmerksam
26 zulesen. Dises schlusse aber nichts
27 vor andre/ und nichts vor die ohnnuͤtze
28 neue Romans.